Der Psychologe und Autor Ahmad Mansour unterstützt die Berliner FDP im Vorfeld der Abgeordnetenhauswahl am 12. Februar. Auch darüber hinaus wird er das Führungsteam der Liberalen künftig bei Bildungs- und Integrationsthemen verstärken. „Ich lebe seit 18 Jahren in Berlin und sehe die gravierenden Missstände in Justiz und Verwaltung“, sagte Mansour gegenüber WELT.
Vor allem aber beim Thema Bildung fehlt es nach Ansicht des Integrationsexperten an überzeugenden Konzepten. „Dabei liegt hier der Schlüssel, um Teilhabe und Aufstiegschancen in unserer Gesellschaft zu fördern. Wie wichtig das ist, dafür haben die Ausschreitungen in der Silvesternacht einmal mehr den Beleg geliefert.“
Bei nächtlichen Krawallen zum Jahreswechsel wurden Polizei und Feuerwehr in der Hauptstadt mit Böllern, Schreckschusspistolen und Raketen angegriffen. Laut Polizeiangaben wurden 145 Tatverdächtige vorübergehend festgenommen. Auch in anderen Städten kam es zu Angriffen, die Ereignisse haben eine Debatte über fehlende Perspektiven sowie Staatsverachtung von Jugendlichen und Menschen mit Migrationsbiografie ausgelöst.
„Die Ereignisse haben gezeigt, dass die Hemmschwelle für Gewalt gesunken ist. In Teilen unserer Gesellschaft fehlt jeglicher Respekt vor Einsatzkräften“, sagte der Spitzenkandidat der Liberalen für die Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja. Die Ursachen dafür sieht er in einer ineffizient arbeitenden Justiz sowie in einer fehlgeschlagenen Integrationspolitik. In Berlin fehlten Anreize für Jugendliche und Positivbeispiele.
„Anstatt die Debatte aber zu verengen, wie es nun Politiker der rot-rot-grünen Koalition tun, müssen wir sie gesellschaftlich weiten“, fordert Czaja. „Nur so können wir die Ursachen der Gewalt bekämpfen. Ahmad Mansour wird uns dabei mit seiner klaren Art und Expertise unterstützen.“
Nach Angaben der Polizei wurden bei den Tatverdächtigen in der Hauptstadt mindestens 18 verschiedene Staatsangehörigkeiten festgestellt. Neben 45 Deutschen waren unter anderem 27 Afghanen dabei, 21 Syrer und neun Menschen aus dem Irak. Die Berliner Integrations- und Migrationsbeauftragte Katarina Niewiedzial warnte zugleich vor einer Kriminalisierung von Migranten. Die Gewalt an Silvester gehe auf eine Gruppe randalierender Jugendlicher zurück, sagte Niewiedzial der „taz“.
Mansour plädiert dagegen für eine besonnene, zugleich aber offene Debatte über die Herausforderungen im Bereich der Integration – auch über die Silvesternacht hinaus: „Es geht nicht darum, alle Migranten als kriminell abzustempeln. Bei den Tätern handelt es sich um eine kleine Gruppe, die die Gesellschaft terrorisiert und die Polizei und den Rechtsstaat verachtet“, so Mansour. „Die Koalition diskutiert mehr über Rassismus innerhalb der Polizei als über Angriffe auf Beamte.“ Manch einer leite daraus die Legitimation ab, Polizisten anzugreifen. „Auch darum geht es, wenn wir über die Ursachen der Gewalt in der Silvesternacht reden.“
Mansour spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, die Justiz und Polizei in der Hauptstadt personell besser auszustatten, um Ermittlungen zu beschleunigen.
„Geht darum, dass unser Rechtsstaat funktioniert“
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) hat nach den Silvester-Krawallen eine schnelle Bestrafung der Täter gefordert. Zugleich betonte Giffey, Polizei und Feuerwehr seien „in voller Mannstärke“ im Einsatz gewesen. Die Gewaltausbrüche seien kein „Berlin-Phänomen“. Ähnliches sei auch in anderen Städten passiert.
Daran äußert der FDP-Politiker Czaja Kritik: „Wenn Franziska Giffey angesichts der Ausschreitungen in Berlin an den Bund verweist, verschließt sie die Augen vor den eigentlichen Problemen dieser Stadt.“ In Berlin gebe es ein eklatantes Vollzugsdefizit bei der Justiz und ein massives Problem bei der Durchsetzung von Recht. „Das Ergebnis ist, dass Verbrecher den Respekt vor den Behörden verlieren.“
Im Fall einer Regierungsbeteiligung will die FDP Gerichte und Staatsanwaltschaft besser ausstatten. „Dabei geht es nicht um Law-and-Order-Politik – es geht darum, dass unser Rechtsstaat überhaupt funktioniert und wir das Vollzugsdefizit beseitigen.“
Giffey kündigte nach den Krawallen außerdem einen Gipfel gegen Jugendgewalt an. Es brauche einen „Mix aus ausgestreckter Hand und Stopp-Signal“. Der Integrationsexperte Mansour hält das für Symbolpolitik: „Es reicht nicht, nach solchen Großereignissen punktuell über die Probleme zu diskutieren. Echte Aufstiegschancen schaffen wir nicht über die Einrichtung eines Jugendsymposiums, sondern mit echter Integrationsarbeit, die bei Sprachförderung im Kindergarten anfängt.“
Auch eine emotionale Bindung zu Deutschland sei wichtig. So plädieren Mansour und FDP-Spitzenkandidat Czaja etwa für ein verpflichtendes Kita-Jahr in Berlin. „Außerdem müssen wir Schulen zu Orten der Demokratie umbauen, mit modernen und lebensnahen Lehrplänen. In den benachteiligten Bezirken sollten die qualifiziertesten Lehrer der Stadt arbeiten“, so Mansour.
Ob er im Falle einer Regierungsbeteiligung in die Partei eintreten wird, ließ er offen. „Ich sehe bei der FDP das Programm, um Berlin aus dieser miserablen Situation herauszubringen. Deshalb werde ich sie im Wahlkampf unterstützen. Um etwas in dieser Stadt und diesem Land zu gestalten und zum Positiven zu verändern.“
Bei der vergangenen Wahl im September erreichte die FDP 7,1 Prozent, aktuell liegt die Partei in Umfragen bei fünf bis sechs Prozent und muss um den Einzug ins Abgeordnetenhaus bangen. Czaja strebt eine Regierung mit SPD und CDU an, die in den Umfragen mit den Grünen zuletzt knapp gleichauf lagen.
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