Ach, Trump. Nach dem islamistischen Attentat mit einem Pick-up-Laster in Manhattan überschlug er sich geradezu mit Vorschlägen, wie man Muslimen die Einreise in die USA verwehren und ihnen das Leben erschweren könne. Nach dem Anschlag eines Amokläufers im texanischen Sutherland Springs empfahl er hingegen Gebete. Donald Trump hat uns allen bewiesen, dass er ein populistischer Zyniker ist. Was soll man von ihm schon anderes erwarten? Wenn wir uns aber umsehen, merken wir, dass diese Form des Trumpismus allmählich Schule macht. Der Präsident steht nämlich für eine Tendenz, die längst westliche Gesellschaften erfasst hat: die Hierarchisierung von islamistischen Anschlägen und anderen Terrorakten. 

Schauen wir einfach mal in die Redaktionen deutscher Fernsehanstalten oder Zeitungen. Wenn die ersten Meldungen eines Anschlags über den Nachrichtenticker laufen, beginnen einige Redakteure auszuwählen – und zwar nach dem Prinzip der Alarmhierarchie. Die ordnet sich nach zwei Fragen: War es ein Islamist? War es ein Flüchtling? Wenn nicht, dann sinken Adrenalinpegel und Alarmierung. Dann kann ein Anschlag auch schon mal nach einem Tag aus den Nachrichten verschwinden. Bei einem islamistischen Angriff hingegen gerät man in Wallung: Die ersten Seiten der Zeitung werden freigemacht, die öffentlich-rechtlichen Sender planen den Terror-Brennpunkt schnell für die beste Sendezeit ein und sogenannte Terrorismusexperten bekommen das Wort. Meistens dürfen dann Politiker in Talkshows ihr Entsetzen ausdrücken und altbekannt-hilflose Maßnahmen fordern. Und da die öffentlich-rechtlichen Talkshows nicht Aufklärung fördern, sondern Streit, hauen die Teilnehmer munter drauf, erklären dabei wenig bis gar nichts. Am Ende entstehen Bilder, die nicht mehr vergehen.

"Gewaltbereite Islamisten" – wie erkennt man die? Wir alle hatten doch schon einmal das dumme Gefühl in der U-Bahn gehabt, wenn ein Mann mit schwarzem langem Bart und großem Rucksack oder Koffer in den Waggon stieg. Und waren erleichtert, wenn er irgendwo wieder ausstieg. Wir folgen den stereotypen Bildern und verfolgen uns damit selbst.

Tatsächlich ist es schwer, Mittel gegen die Gefahr zu finden, dass ein Fanatiker sich in einen Lastwagen setzt und in die Menge rast. Deshalb weichen manche dann auf Ersatzhandlungen aus. Es entstehen Debatten, in denen die rituelle Aufforderung an Muslime gerichtet wird, sich doch jetzt mal vom Terror zu distanzieren. Diese Aufforderung ist deshalb so verstörend, weil sie jedem Muslim implizit unterstellt, er sei ein potenzieller Terrorist, dass seine Religion ein Problem habe. Genauso eindimensional ist übrigens der umgekehrte Reflex, zu sagen: "Das hat nichts mit dem Islam zu tun." Natürlich hat es mit dem Islam zu tun, wenn sich Terroristen seiner bemächtigen und aus zusammengewürfelten Versatzstücken der Religion eine Ideologie basteln, der erschreckend viele junge Leute verfallen. Der Kampf dagegen ist zu einer Generationenaufgabe geworden. Jedoch lässt sich aus dem Islam nicht eine terroristische Handlung ableiten, wie manche westlichen Autoren in unheiliger Einheit mit dschihadistischen Vordenkern folgern.

Medien leisten negativen Beitrag

Differenzieren fällt schwer, gerade in Talkshows, in denen Zoff zählt. Nach einem islamistischen Anschlag werfen Teilnehmer oft alles munter zusammen, den Terror, die Flüchtlinge, die sexuelle Belästigung von Frauen, Kopftücher und natürlich die Burka, die Ganzkörperverhüllung. Aus solchen Zutaten kochen dann manche Regierungen eine Politik zusammen, die Missstände bekämpft, die nach realer Statistik keine sind. Das Verhüllungsverbot in Österreich ist so eine Lösung für ein Problem, das es eigentlich nicht gibt.

In der Aufregung über islamistische Attacken entgehen uns die Anschläge der anderen. Ein Terrorist wie Anis Amri tauchte in der Masse der Migranten und Flüchtlinge unter, um in Berlin den ersten großen Terroranschlag zu verüben. Ein Flüchtling in Schwerin wurde erst kürzlich an einem tödlichen Angriff gehindert. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass die meisten Anschläge auf Flüchtlinge und Flüchtlingsheime verübt werden. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden in Deutschland bereits 211-mal Asyl- und Flüchtlingsheime attackiert. Überfälle, Sprengstoffanschläge, Brandstiftungen: In der Regel führen solche Attacken zu keinem Brennpunkt oder zu einer Talkshow, sonst wäre fast jeden Tag ein Brennpunkt im TV zu sehen. Doch solche Attacken sind Alltag in Deutschland. 

Was hier aus dem Blick gerät: Rechtsterrorismus, NSU – da war doch mal was. Und was wir schon fast für ausgestorben hielten: linke Gewalt gegen Objekte und Menschen. Lange Zeit wurde das linke Milieu als Jugendgrille verniedlicht und weggeredet, bis Linksextremisten beim G8-Gipfel in Hamburg eine Orgie der Gewalt inszenierten. Und immer häufiger ist weißer Terrorismus frustrierter Männer mit dabei, die mit Gewehren losziehen.