ZEIT ONLINE: Bei den Wahlen in den USA und Frankreich wurden massenhaft Social Bots eingesetzt, um Falschmeldungen zu verbreiten. Passiert so was auch bei der Bundestagswahl

Andree Thieltges: Wir konnten bisher keinen massenhaften Einsatz von Social Bots beobachten. Aber bis zum Wahlsonntag kann noch einiges passieren.

ZEIT ONLINE: Wie könnte die Bundestagswahl denn mithilfe von Social Bots noch beeinflusst werden?

Thieltges: Zum einen können Social Bots in kurzer Zeit viele Tausend Tweets und Postings abgeben. Das ist besonders im Internet ein großer Vorteil, denn hier gucken die Menschen darauf, was ganz viele andere liken, posten und retweeten. Wenn also zum Beispiel eine bestimmte politische Position in den Sozialen Netzen sehr häufig auftaucht, scheint es so, als sei dies die Meinung der Mehrheit. Andererseits helfen Bots bei der Verknüpfung von Seiten. Dadurch werden viel mehr Menschen erreicht und Informationen schnell gestreut. Bots können eine kleine Gruppe so wie eine Bewegung aussehen lassen. Das sind die Einsatzgebiete, die wir beobachtet haben.

ZEIT ONLINE: Wer setzt solche Bots denn normalerweise ein? 

Thieltges: Es ist schwierig, die Urheber hinter einem Bot zu identifizieren, weil die sich natürlich tarnen, als wären sie Menschen. Und wenn man die Tarnung entzaubert hat und weiß, es sind Maschinen, dann ist trotzdem nicht eindeutig festzustellen, wer die Maschine ins Netz gestellt hat. Aber im rechten Spektrum beobachten wir deutlich öfter Aktivitäten, die eher auf den Einsatz von Bots hinweisen.

ZEIT ONLINE: Kann es nicht sein, dass Rechte einfach aktiver im Netz unterwegs sind?

Thieltges: Einerseits ja, AfD-Anhänger sind tatsächlich relativ leicht über die sozialen Netzwerke zu mobilisieren. Wenn man das aber analysiert, merkt man schnell, das es einzelne Nutzer sind, die die Seiten verbinden. Und bei denen muss man sich fragen: Sind das Menschen, die zehn Stunden am Tag nichts anderes machen, oder sind das nicht doch Maschinen, die nach bestimmten Schlagwörtern suchen und diese Seiten miteinander vernetzen? 

ZEIT ONLINE: Auf welchen Plattformen werden Bots denn am meisten eingesetzt?

Thieltges: Twitter ist die beliebteste Plattform für den Einsatz von Bots. Bei Facebook ist es deutlich schwieriger in die Struktur einzudringen. Um dort zu überleben, braucht man einen Lebenslauf, Fotos und Freunde. Das ist nicht ganz so leicht zu fälschen.

ZEIT ONLINE: Was können Bots dann überhaupt bewirken? Bei Twitter sind doch eigentlich nur Journalisten, Politiker und ein paar Trolle. 

Thieltges: Das stimmt. Aber gefährlich wird es immer dann, wenn eine Nachricht aus dem Netzwerk in dem sie entstanden ist, hinaustritt. Als Beispiel: Wenn Sie es schaffen, mit einer Vielzahl von Bots eine Nachricht bei Twitter trenden zu lassen, dann springen da viele Leute auf. Und dann ist es nur noch eine Frage von Minuten, bis das auch auf Facebook landet und dort diskutiert wird. So kann es schließlich bis zu den etablierten Medien weitergehen.