Der Spitzenkandidat und Fraktionschef der Grünen im Thüringer Landtagswahlkampf, Dirk Adams, ist von Rechtsextremisten bedroht worden. In der E-Mail vom Freitag kündigte ein "Cyber-Reichswehr" genannter Absender ein Messerattentat oder eine Autobombe an, wenn Adams nicht bei den Grünen austrete, wie er ZEIT ONLINE bestätigte. Er habe sie an das Landeskriminalamt weitergeleitet. "Das Ausmaß, in dem in diesem Wahlkampf mit falschen Meldungen und der Androhung von Gewalt gearbeitet wird, ist beängstigend", sagte Adams.

Am Wochenende hatte bereits der CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring eine neuerliche Morddrohung gegen ihn öffentlich gemacht, ebenfalls offensichtlich aus der rechtsextremen Szene. Absender ist ein sogenanntes Staatsstreichorchester, das schon seit Längerem aktiv ist. Nach Angaben von Ermittlern geht es um mehrere Hundert Drohmails. In dem Komplex ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft.

Mohring veröffentlichte ein Foto der E-Mail bei Twitter und sagte: "Wir dürfen keinen Platz lassen für Hass, für Gewalt, für Aggressionen, für Morddrohungen." Auch andere Spitzenkandidaten für die Landtagswahl am kommenden Sonntag würden bedroht. Nach Angaben von Mohring forderten die Verfasser, dass er bis Sonntagmittag um zwölf Uhr seinen Wahlkampf einstellt. "Wenn ich das nicht tue, dann wollen sie mich abstechen, so wie die Oberbürgermeisterin von Köln Henriette Reker, oder gar eine Autobombe zünden." In allen Fällen ermittelt das Landeskriminalamt. 

Bereits Ende September hatte Mohring eine Morddrohung erhalten. Der Absender der Postkarte nahm damals nach CDU-Angaben indirekt Bezug auf den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. In dem Drohschreiben hieß es demnach, Mohring sei die Nummer zwei, die demnächst einen "Kopfschuss" erhalte. 

Adams: Drohung nicht ernst genommen

Der CDU-Politiker Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni auf seinem Grundstück im nordhessischen Wolfhagen-Istha aus nächster Nähe erschossen worden. Die Ermittler gehen von einem rechtsextremen Hintergrund der Tat aus. Kölns Oberbürgermeisterin Reker (parteilos), auf die sich die aktuelle Drohung bezieht, war im Oktober 2015 kurz vor ihrer Wahl von einem Rechtsextremisten angegriffen worden. Er stach ihr mit einem Messer in den Hals.

Der Vorsitzende der Grünen, Robert Habeck, hatte nach Angaben seiner Partei vor einer Wahlkampfveranstaltung in Bleicherode ebenfalls eine Morddrohung in einem sozialen Netzwerk erhalten. Sie war von Adams in einem Kommentar entdeckt worden. In diesem Zusammenhang durchsuchte die Polizei am vergangenen Freitag die Wohnungen von zwei Beschuldigten. In einem Fall soll sich ein polizeibekannter Rechtsextremer illegal Schusswaffen besorgt haben. Im zweiten Fall soll ein 27-Jähriger aus Nordthüringen öffentlich zu schweren Straftaten gegen den Grünen-Bundesvorsitzenden im Rahmen von dessen Wahlkampftour in Thüringen aufgerufen haben.

Das Landeskriminalamt Thüringen bestätigt die Häufung von Vorfällen: Derzeit gebe es "eine temporäre Zunahme" von Drohungen und Beschädigungen an Wahlplakaten oder Wahlkreisbüros, sagt eine Sprecherin. "Ebenso ist eine Verrohung der Sprache festzustellen."

Die Bundesregierung beobachtet die Morddrohungen gegen Politiker in Thüringen und anderswo "mit großer Sorge", wie der Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin sagte. Diese richteten sich gegen Repräsentanten des Staats und der freiheitlichen Demokratie. Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sagte der Welt, die Drohungen würden sehr ernst genommen. "Es handelt sich nicht um Bagatelldelikte." Er bestätigte, dass auch Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) Drohungen ausgesetzt sei. In diesem Zusammenhang sei in der vergangenen Woche die Wohnung eines bekannten Rechtsextremisten im thüringischen Pößneck durchsucht worden, wo der Ministerpräsident zu einem Wahlkampftermin erwartet wurde. Bei dem Mann wurden Maier zufolge scharfe Waffen gefunden.

In Thüringen wird am 27. Oktober ein neuer Landtag gewählt.