Im Streit über die Verteidigungsausgaben der Nato-Mitgliedsländer hat US-Präsident Donald Trump Deutschland erneut Versäumnisse vorgeworfen. Die Bundesrepublik mache einen milliardenschweren Erdgasdeal mit Russland und lasse sich gleichzeitig von der Nato vor Russland beschützen, sagte Trump vor dem Nato-Gipfel in Brüssel. Er bezog sich auf den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2. Deutschland sei total von Russland kontrolliert. Es sei ein "Gefangener Russlands".

Versöhnlichere Töne schlug Trump dann bei einem direkten Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Rande des Nato-Gipfels an: "Wir haben eine sehr, sehr gute Beziehung", sagte er. Das Treffen nannte er großartig.

Merkel hatte zuvor Trumps Kritik zurückgewiesen. Zum Auftakt des Nato-Gipfels sagte sie, Deutschland mache eine eigenständige Politik, und das sei gut. "Ich möchte aus gegebenen Anlass hinzufügen, dass ich selber erlebt habe, dass ein Teil Deutschlands von der Sowjetunion kontrolliert wurde", sagte die Kanzlerin, die in der DDR aufwuchs. "Ich bin sehr froh, dass wir heute in Freiheit vereint sind als die Bundesrepublik Deutschland und dass wir deshalb auch sagen können, dass wir unsere eigenständige Politik machen können und eigenständige Entscheidungen fällen können."

Trump kritisiert das deutsch-russische Erdgasprojekt in der Ostsee seit Monaten. Die rund 1.200 Kilometer lange Pipeline Nord Stream 2 soll russisches Erdgas über die Ostsee nach Mittel-und Westeuropa transportieren. Die USA sehen Europa aber als wichtigen Markt für ihr eigenes Fracking-Gas. Deutschland mache sich abhängig, sagte Trump, weil es "fast 70 Prozent" seines Erdgases aus Russland beziehe. Dem Bundeswirtschaftsministerium zufolge betrug der russische Anteil 2017 jedoch nur rund 40 Prozent.

Stoltenberg: Selbst während des Kalten Kriegs gab es Handel mit Russland

Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte, es könne bisweilen unterschiedliche Einschätzungen bei Wirtschaftsprojekten der Verbündeten geben. Selbst während des Kalten Kriegs hätten Nato-Partner Handelsbeziehungen mit Russland gehabt. Trump erwiderte, Handel sei eine Sache, Energieimporte seien etwas ganz anderes.

Trump verlangte außerdem erneut von allen europäischen Nato-Verbündeten höhere Verteidigungsausgaben. Die USA bezahlten seit Jahrzehnten viel mehr als die Verbündeten, das sei unfair gegenüber den amerikanischen Steuerzahlern, und das werde er ändern.

Der US-Präsident hält vor allem die deutschen Verteidigungsausgaben für viel zu gering, obwohl sie in den vergangenen Jahren gesteigert wurden. Nach Vergleichszahlen der Nato geben die USA derzeit mehr als 13 Mal so viel Geld für Verteidigung aus wie Deutschland. 2018 werden die US-Ausgaben auf rund 706 Milliarden Dollar beziffert. Trump fordert, dass alle Bündnispartner spätestens von 2024 an jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben und verweist dabei auf einen Beschluss des Nato-Gipfels in Wales aus dem Jahr 2014, in dem sich alle Mitglieder des Bündnisses diesem Ziel verpflichtet hatten.

In der Bundesregierung wird das sogenannte Zwei-Prozent-Ziel allerdings anders interpretiert. Berlin verweist darauf, dass im Beschluss lediglich davon die Rede ist, sich auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen. Prognosen zufolge wird Deutschland dieses Jahr allerdings auch das nicht gelingen. Demnach wird die Bundesregierung 1,24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgegeben, das entspricht dem Wert vom Vorjahr.