Es könnte so schön sein. Ostern ist fast da, und es scheint weitere gute Neuigkeiten zu geben: Die Kurve, die die Zahl der Neuinfizierten in Deutschland abbildet, scheint langsam aber sicher flacher zu werden. Das würde bedeuten: Die Zahl der täglichen Neuinfektionen steigt nicht mehr.

Dürfen jetzt an Ostern alle wieder raus? Auf gar keinen Fall. Das schöne Wetter und die vielen freien Tage könnten die positive Entwicklung gefährden, wenn Menschen sich in den kommenden Tagen trotz weiter anhaltender Kontaktsperre in großen Gruppen draußen oder drinnen treffen. 

Das sagen die neuen Studien

Social Distancing lohnt sich offenbar. Eine Modellrechnung von Forschenden des Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation kommt zu dem Ergebnis, dass die Zahl der Corona-Fälle seit der vergangenen Woche deutlich langsamer wächst. "Wir sehen eine klare Wirkung der Kontaktsperre vom 22. März, und natürlich den Beitrag von jeder einzelnen Person", sagt Viola Priesemann, die am Göttinger Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation eine Forschungsgruppe leitet.

Entscheidend ist die Zahl der Menschen, die ein Infizierter im Durchschnitt ansteckt, die sogenannte Reproduktionszahl R. Wenn keinerlei Maßnahmen ergriffen werden, sich das Virus also ohne Einschränkungen ausbreiten kann, dann ist die Zahl bei etwa zwei bis drei Personen – so die Schätzung von Forscherinnen und Forschern. Und weil jeder dieser Angesteckten das Virus selbst wieder an andere Menschen weitergibt, wird die Zahl immer größer und größer – sie wächst exponentiell.

Erst wenn ein Infizierter im Durchschnitt nur noch einen anderen ansteckt, wird dieser Prozess durchbrochen, die Zahl der aktuell Erkrankten steigt nicht weiter an. Genau dieser Punkt scheint in Deutschland nun erreicht zu sein, zeigt die Studie des Max-Planck-Instituts. 

Die kommenden zehn Tage sind entscheidend

Auch in europäischen Nachbarländern, wie etwa in Italien oder Norwegen, liegt die Reproduktionszahl mittlerweile unter eins, schätzt eine Forschungsgruppe der London School of Hygiene and Tropical Medicine. Auch wenn das eine erfreuliche Nachricht ist: R kleiner als eins allein reicht noch nicht aus, um die Epidemie zu kontrollieren. Erst wenn die Zahl der Neuansteckungen außerdem so klein ist, dass es wieder möglich ist, einzelne Fälle konsequent nachzuverfolgen und alle Kontaktpersonen zu isolieren, ist es sinnvoll, die Einschränkungen zu lockern.

Trotz der guten Nachrichten heißt das also: Vorbei ist es mit der sozialen Isolation noch nicht. "Wenn jetzt die Beschränkungen aufgehoben werden, sind wir wieder ganz am Anfang", sagt Priesemann. Für Ostern bedeutet das: Würden jetzt alle mit der Großfamilie bei Kaffee und Kuchen zusammensitzen, die Ostermesse in der Kirche feiern oder sonntags mit den daheimgebliebenen Freunden im Park sitzen, könnte die Zahl der Fälle schnell wieder steigen. "Ich finde es sehr ermutigend, dass wir mit einer starken Einschränkung, die in den kommenden zehn Tagen noch anhält, die Neuinfektionen so weit zurückdrängen könnten, dass wir danach mit Vorsicht, aber hoffentlich mit deutlich weniger Einschränkungen weitermachen können", sagt Priesemann. Je konsequenter also alle über Ostern zu Hause bleiben, desto schneller könnte dieser Punkt erreicht sein.

Sprünge nach dem Wochenende sind normal – und auch für das lange Osterwochenende zu erwarten

Das gilt auch noch für die Zeit nach Ostern, selbst wenn die Zahlen für das lange Osterwochenende besonders positiv ausfallen werden. Das ist sogar zu erwarten.

Gerade an den Samstagen, Sonntagen und Montagen wich die Zahl der gemeldeten Infizierten in den vergangenen Wochen immer wieder deutlich nach unten ab. 

Der Grund: Bis ein Testergebnis in der Statistik auftaucht, sind viele Menschen daran beteiligt. Der Arzt, der den Abstrich macht, das Labor, das die Probe untersucht, und die Behörde, der das Ergebnis gemeldet wird und die es anschließend an das Robert Koch-Institut (RKI) kommuniziert. Gibt nur einer der Beteiligten das Ergebnis nicht direkt weiter, zum Beispiel, weil er am Sonntag nicht arbeitet, kommt es in der Statistik zu Verzögerungen. In der Woche wird das nachgeholt – und das zeigt sich auch in der Kurve.

Am langen Osterwochenende könnte sich ein ähnlicher Effekt zeigen. Sollte die Zahl der Neuansteckungen also über die Feiertage besonders stark fallen, könnte das auch an Verzögerungen in der Meldekette liegen. Ob sich mehr Menschen angesteckt haben, können wir erst nach den Feiertagen bewerten, wenn auch die letzten Ergebnisse vorliegen.