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Deutschland Zwei Stunden Schulschwänzen

Bußgeld für „Fridays for Future“-Teilnehmer - Stadt rudert zurück

Mit diesen Tricks helfen die Lehrer den Schülern beim Schwänzen

Der Hamburger Senat drohte den „Fridays for Future“-Teilnehmern mit schlechten Zensuren und Zeugnisvermerken. Dennoch kamen ganze Klassen – mit Lehrern. Welche Tricks die Lehrer angewendet haben, erklärt WELT-Reporterin Marie Przibylla.

Quelle: WELT

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Für zwei Fehlstunden erhielten mehrere Schüler in Mannheim einen Bußgeldbescheid - nun müssen die Familien die 88,50 Euro Strafe doch nicht zahlen. Der Stadt sei die „Besonderheit“ der streikenden Schüler nicht aufgefallen.

Wegen der Teilnahme ihrer Kinder an einer Demonstration der Klimaschutzbewegung „Fridays for Future“ haben vier Familien in Mannheim Bußgeldbescheide bekommen - diese wurden nun wieder aufgehoben. Die Bußgeldbehörde war auf Betreiben des Geschwister-Scholl-Gymnasiums aktiv geworden, an dem fünf Schüler mehrfach während der Schulzeit „Fridays for Future“-Demonstrationen besucht hatten. Nach einem Bericht der Zeitung „Mannheimer Morgen“ geht es um das unentschuldigte Fehlen der Gymnasiasten in jeweils zwei Stunden am 24. Mai.

Das zuständige Regierungspräsidium Karlsruhe hatte am Mittwoch angekündigt, dass die Eltern von vier Schülern jeweils 88,50 Euro zahlen sollen. Beim fünften konnte eine Aussage des Betroffenen einen Bescheid verhindern. Bislang hatten Schulleitungen und Behörden in Deutschland nachsichtig auf Teilnahmen an Klimaschutzdemonstrationen während der Unterrichtszeit reagiert und es bei Gesprächen mit den Schülern sowie dem Festhalten der Fehlzeiten belassen.

Betroffen hatten sich nicht zum Sachverhalt geäußert

Die Stadt wies darauf hin, dass sie sich jährlich mit rund 300 Bußgeldverfahren wegen Schulschwänzens befasse. Deshalb sei die „Besonderheit“ der klimastreikenden Schüler bei der Prüfung zunächst nicht aufgefallen. Die Betroffenen hätten allerdings auch keinen Gebrauch von ihrem Recht gemacht, sich zum Sachverhalt zu äußern.

Die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte Verständnis für die Schulleitung geäußert, den Verstoß gegen die Schulpflicht in Einzelfällen mit Bußgeldern zu ahnden. Es sei keine Lösung, dauerhaft Schule und Klimaschutz gegeneinander auszuspielen, sagte sie. Dagegen verurteilte die deutsche Sektion von „Fridays for Future“ das „Vorgehen gegen legitimen Protest“ und richtete ein Spendenkonto zur Rechtshilfe für betroffene Jugendliche ein.

Das Bußgeld sei zwar „formal korrekt“, aber in der Sache nicht geboten gewesen, unterstrich die Stadt Mannheim. Die Ordnungsbehörde monierte, dass die Schule vorab nicht alle anderen zur Verfügung stehenden Erziehungsmaßnahmen ergriffen habe. Ein Bußgeld sei nur letztes Mittel.

Einen Antrag auf Befreiung vom Unterricht hatten die Eltern nach Angaben des Regierungspräsidiums nicht gestellt. Der Klassenlehrer habe sie schriftlich darüber informiert, welche Konsequenzen ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Unterricht hat. Auch mit den Schülern seien mehrfach Gespräche geführt worden, teilte die Behörde unter Berufung auf Angaben der Schulleitung weiter mit.

Könnte es erneut Bußgeldbescheide geben?

Weitere Fälle von Bußgeldbescheiden in Baden-Württemberg sind dem Regierungspräsidium nach nicht bekannt. Es verwies darauf, dass die Behörde und die Schule Verständnis dafür hätten, dass sich Schüler engagieren. Es sei allerdings kein sachlicher Grund erkennbar, wieso die Demonstrationen ausgerechnet in der Unterrichtszeit stattfinden und nicht etwa danach. Die rechtliche Situation sei daher eindeutig.

„Die Teilnahme an einer Demo rechtfertigt nicht in jedem Fall ein Fernbleiben vom Unterricht“, erklärt Wilhelm Achelpöhler, Anwalt für Verwaltungsrecht. Da es sich dabei um eine Ordnungswidrigkeit handelt, könne für das Schulschwänzen ein Bußgeld verhängt werden. Die Höhe des Bußgeldes ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich festgelegt, betrage etwa in Nordrhein-Westfalen bis zu 5000 Euro.

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In Sachsen-Anhalt habe es bislang keine Geldbußen gegeben, erklärte ein Sprecher von Bildungsminister Marco Tullner (CDU) am Donnerstag. Schulen in Berlin und Hessen hatten ihre Schüler allerdings schon gewarnt, dass die Teilnahme an den Demonstrationen zu Konsequenzen führen könnte. In Berlin sagte ein Schulleiter, dass Schüler wegen Fehlstunden möglicherweise nicht versetzt werden können.

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In der Praxis greifen manche Schulleiter eher zu weichen Sanktionen - so etwa Hans-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. An seiner Schule, dem Robert-Koch-Gymnasium in Deggendorf (Bayern), hatten sich Ende Januar 20 Gymnasiasten spontan dazu entschlossen, an einer Freitag-Demo in Deggendorf teilzunehmen und somit die Schule zu schwänzen.

Als Strafe habe er angeordnet, dass die Schüler die verpasste Unterrichtszeit nachzuholen haben. Er erteilte den Schülern die Aufgabe, eine Podiumsdiskussion zum Klimaschutz zu organisieren. 

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dpa/coh/epd/lw

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