Dass diesmal, beim zweiten Mal, alles anders ist, lässt sich schon daran erkennen, wie es beginnt: Als Bernie Sanders 2015 seine Kandidatur für die US-Präsidentschaft ankündigte, war das keine große Sache. Seine Konkurrentin, die ehemalige Außenministerin Hillary Clinton, stieg mit einer akribisch inszenierten Show in New York ins Rennen um die Nominierung der Demokraten ein. Sanders hingegen startete seine Kampagne fast beiläufig. Bei einer improvisierten Pressekonferenz vor dem US-Kapitol erzählte er kurz, wie er sich die Zukunft des Landes vorstellte – was nicht sehr feierlich wirkte, weil im Hintergrund Passanten durchs Bild liefen. Dann musste Sanders schnell weiter zu einem anderen Termin.

Sanders' Forderungen wirkten damals exotisch und weltfremd. Eine staatliche Krankenversicherung für alle, ein Mindestlohn von 15 Dollar, eine drastisch höhere Besteuerung der Reichen im Land. Ideen, die bei demokratischen Wählern jedoch überraschend gut ankamen. Vom Außenseiter wurde der selbst ernannte "demokratische Sozialist" nach Beginn der Vorwahlen schnell zum Mitfavoriten – und verlor am Ende nur knapp.

Deshalb ist diesmal alles anders. Drei Jahre nach seinem ersten Versuch will Sanders erneut Präsidentschaftskandidat der Demokraten werden. Seine Kandidatur gab er aber dieses Mal nicht nebenbei bekannt, sondern vor einem Millionenpublikum im Fernsehsender CBS. Auf die Frage, was dieses Mal anders laufen solle als beim vergangenen Mal, antwortete Sanders nur trocken: "Wir werden gewinnen."

Die neue Mitte der Demokraten

Der Senator aus Vermont hat gute Gründe, mit ausgeprägtem Selbstbewusstsein in den Vorwahlkampf zu ziehen. Laut Umfragen gehört er seit zwei Jahren zu den beliebtesten Politikern des Landes und lässt in der Wählergunst regelmäßig die meisten demokratischen Präsidentschaftskandidaten hinter sich. Lediglich Ex-Vizepräsident Biden – über dessen Kandidatur ebenfalls spekuliert wird – kann es in den Erhebungen mit Sanders aufnehmen.

Nicht nur das CBS-Interview und die Umfragen zeigen, dass er längst kein Außenseiter mehr ist. Ganz im Gegenteil: Sanders ist es fast im Alleingang gelungen, den politischen Mainstream seiner Partei nach links zu ziehen. 15 Dollar Mindestlohn und eine Krankenversicherung für alle sind als Forderungen von weiten Teilen der Partei übernommen worden. Bernie Sanders ist kein Radikaler mehr – er repräsentiert mit seinen Ideen die neue Mitte der Demokraten.

Es ist zwar noch lange hin bis zur Entscheidung über die Präsidentschaftskandidatur, und gerade die vergangenen Vorwahlen zeigen, wie schnell und heftig sich die ersten Umfragewerte noch drehen können. Sanders ist noch weit davon entfernt, Favorit auf den Sieg zu sein. Aber er hat zumindest schon ein paar gute Argumente auf seiner Seite.

Da ist zum einen seine treue und aktive Anhängerschaft. Schon 2016 konnte Sanders sich auf Hunderttausende junger engagierter Wahlkampfhelfer verlassen, die seine politischen Botschaften durch die USA trugen. Seitdem hat Sanders seine Graswurzelbewegung professionalisiert. Kurz nach der knappen Niederlage gegen Clinton 2016 gründeten seine Mitstreiter die Organisation Our Revolution (Unsere Revolution), die seitdem linken Kandidaten im Wahlkampf hilft – mit großem Erfolg. Our Revolution unterstützte 2018 mehr als 300 Kandidaten für lokale, regionale und nationale Ämter, von denen etwa 40 Prozent erfolgreich waren – zum Beispiel die New Yorker Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez, die mit gerade einmal 29 Jahren nicht nur ins Repräsentantenhaus einzog, sondern schon jetzt als große Hoffnung der Parteilinken gilt.