Ein Gericht in Côte d’Ivoire schliesst den ehemaligen CS-CEO von der Wahl aus. Er soll seinen französischen Pass zu spät abgegeben haben. Thiam hatte gute Chancen auf das Präsidentenamt.
Ein Gericht in Côte d’Ivoire hat mit grosser Wahrscheinlichkeit den nächsten Karriereschritt des ehemaligen Credit-Suisse-CEO Tidjane Thiam verhindert. Es entschied am Dienstag, der 62-jährige Thiam werde aus dem Wahlregister des westafrikanischen Landes gestrichen, weil er zum Zeitpunkt seiner Registrierung auch die französische Staatsbürgerschaft besessen habe.
Thiam wollte im Oktober zur Präsidentenwahl in dem westafrikanischen 30-Millionen-Einwohner-Staat antreten. Er war der aussichtsreichste Kandidat der Opposition. Ende 2023 war Thiam zum Vorsitzenden des Parti démocratique de Côte d’Ivoire (PDCI) gewählt worden, einer der grossen Parteien im Land.
Thiam entstammt einer einflussreichen ivoirischen Familie, er ist in der Hafenmetropole Abidjan geboren, wo am Dienstag auch der Gerichtsentscheid fiel. 1987 hatte er zusätzlich den französischen Pass erworben. Diesen gab er im Februar ab, um die Kriterien für die Teilnahme an der Präsidentenwahl zu erfüllen. Das Gericht urteilte aber – auf Basis eines Gesetzes von 1961 –, dass Thiam die ivoirische Staatsbürgerschaft faktisch aufgegeben habe, als er die französische erlangt habe. Er könne deshalb nicht kandidieren.
Thiam bezeichnete das Urteil in einem Statement als «demokratischen Vandalismus», der Millionen von Wählerinnen und Wählern ihrer Stimme beraube. «Die Regierungspartei hat die Gerichte benützt, um ihren grössten Rivalen zu beseitigen», so Thiam.
Côte d’Ivoire war in den vergangenen Jahren eigentlich eine afrikanische Erfolgsgeschichte. Das Land hat nach zwei Bürgerkriegen 2002 und 2011 zu wirtschaftlichem Wachstum und politischer Stabilität gefunden. Es zählt zu den weltweit grössten Kakaoproduzenten und ist ein Ziel für Wirtschaftsmigranten in Westafrika.
Die ivoirische Demokratie hat aber ihre Probleme. So wurden neben Thiam auch die drei anderen wichtigsten Oppositionskandidaten von der Wahl ausgeschlossen, unter ihnen der frühere Präsident Laurent Gbagbo. Es ist wahrscheinlich, dass der amtierende Präsident Alassane Ouattara im Oktober noch einmal antritt, um sich für eine verfassungswidrige vierte Amtszeit wählen zu lassen. Tritt der 83-Jährige an, wird er mit grosser Wahrscheinlichkeit gewählt, da die Gerichte alle prominenten Oppositionskandidaten eliminiert haben.
Tidjane Thiam war 2015 vom britischen Versicherungsriesen Prudential zur mittlerweile untergegangenen Credit Suisse gestossen. Er war der einzige afrikanische CEO einer europäischen Grossbank. Thiam profilierte sich bei der CS als Sanierer. Kritiker werfen ihm aber vor, er habe eine zu lasche Risikokontrolle verantwortet, die zu milliardenteuren Skandalen geführt habe – und 2023 schliesslich zum Kollaps der Bank und zu der Übernahme durch die UBS.
In Erinnerung geblieben ist Thiam in der Schweiz vor allem wegen einer Beschattungsaffäre, die 2020 zu seinem Abgang führte. Die CS-Führung liess mehrere Mitarbeiter von Privatdetektiven überwachen, unter ihnen Iqbal Khan, den Leiter der internationalen Vermögensverwaltung. Dieser war im Begriff, zur Rivalin UBS zu wechseln. Mit Khans Überwachung wollte die CS herausfinden, ob der Kadermann beabsichtigte, Kunden zur UBS mitzunehmen.
Thiam, der in Herrliberg neben Khan wohnte, bestritt, von der Überwachung gewusst zu haben. Im Februar 2020 trat er dennoch zurück.
Bevor Thiam in Europa Karriere gemacht hatte, war er in den 1990er Jahren bereits einmal in seinem Heimatland in der Politik tätig gewesen. Von 1994 bis 1999 bekleidete Thiam Spitzenpositionen in der ivoirischen Regierung. Zuletzt war er Minister für Planung und Entwicklung. Nach einem Militärputsch 1999 verliess er das Land.
Nun ist Thiams Traum vom Comeback in der Heimat vorerst geplatzt. Das Urteil, das ihn von der Wahl ausschliesst, kann nicht angefochten werden. Die nächste Präsidentenwahl wird 2030 stattfinden.