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  3. Zum Tod von Niki Lauda: Ein Mann, der stets an seine Grenzen ging

Sport Niki Lauda (70†)

Niki, mach’s gut

Formel-1-Legende Niki Lauda ist tot

Formel-1-Legende Niki Lauda ist tot. Seine Angehörigen teilten mit, dass der dreimalige Weltmeister friedlich im Kreise seiner Familie entschlafen ist. Nach einem schweren Unfall hatte er immer wieder gesundheitliche Probleme.

Quelle: WELT

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Sein Wille zur Selbstdisziplin und seine Furchtlosigkeit machten Niki Lauda zur Formel-1-Legende. Nach seiner Motorsport-Karriere glänzte der Österreicher als unbestechlicher Managertyp. Eine Würdigung.

Wir waren beide junge Kerle, als wir uns das erste Mal begegneten. Er 25, ich 24. Auf einem Hotelflur im kanadischen Clarington. Er war damals schon ein Star, ich ein kleiner Journalist auf seiner ersten Dienstreise. Für die „Sport-Illustrierte“ sollte ich ein Porträt über Rolf Stommelen schreiben, der Zufall wollte es, dass ich auf dem Weg zum Termin Andreas Nikolaus Lauda traf, der von allen nur Niki gerufen wurde. Artig stellte ich mich vor, liebenswert schüttelte er mir die Hand. Es war der Beginn einer engen, respektvollen und von Vertrauen geprägten Zusammenarbeit.

Obwohl Lauda damals, im September 1974, noch nicht Weltmeister war, umgab ihn schon die Aura eines Champions. Er war nicht nur mit unfassbarem Talent gesegnet, sondern hatte auch die Gabe, als extremer Pragmatiker das Beste für sich und sein Team herauszuholen. Über die Umwege der Formel V, 3 und 2 sowie gegen die Widerstände in seiner Familie hatte er sich hochgedient und war nun bei Ferrari angekommen. Doch den Rennstall umgaben Probleme, ein siegfähiges Auto war nicht in Sicht.

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Die Italiener waren damals mit Sportwagen erfolgreich, aber in der Formel 1 hatte das Unternehmen seit 1964 keine Weltmeisterschaft mehr gewonnen. Also ging Lauda kurzerhand zum großen Enzo Ferrari und beschwerte sich. Mit Erfolg. Die Italiener stellten ihm im Jahr darauf den F 312 T hin. Und Lauda fuhr zu seinem ersten Weltmeister-Titel. Dass ihm der Triumph vorzeitig im Autodromo Nazionale von Monza vor den frenetisch jubelnden Ferraristi glückte, passte perfekt ins Bild. Doch der Österreicher wollte von einer überbordenden Feier nichts wissen und blieb sich treu. Seine ersten Worte als frischgebackener Champion lauteten: „Ich glaube, hinten links ist der Stoßdämpfer gebrochen.“

So war er, der Niki, dem großen Ziel, dem WM-Sieg, ordnete er alles unter. Als sich seine (wohlhabende) Familie Anfang der 70er-Jahre gegen die Pläne Laudas gestellt hatte und ein Engagement in der Formel 1 partout nicht goutieren mochte, brach das Jahrhunderttalent mit seinen Eltern. Den Kredit über zwei Millionen Schilling für ein Cockpit bei March-Ford besorgte er sich 1972 kurzerhand von der Raiffeisenbank selbst. Über die nächsten Jahre stotterte er das Geld artig ab, selbst als er schon neuer Champion war. Er wollte Vater und Mutter beweisen, dass er es auch ohne ihre Unterstützung bis nach ganz oben schaffen würde.

Der 1. August 1976 – eine Zäsur

Erst nach seinem dramatischen Unfall am Nürburgring näherte er sich seinen Eltern wieder an. Der 1. August 1976 stellte also gleich in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur im Leben Laudas dar. Beim Großen Preis von Deutschland hatte der Pilot auf der Nordschleife die Kontrolle über seinen Ferrari verloren und war in eine Felswand gekracht. Es dauerte endlose 55 Sekunden, ehe der begnadete Rennfahrer aus dem brennenden Wrack gezogen werden konnte. Die Folge: Schlimmste Hautverletzungen vor allem im Gesicht, eine verätzte Lunge aufgrund der eingeatmeten giftigen Dämpfe und die Angst vor dem drohenden Karriereende. Doch Lauda bewies, dass er ein wahrer Kämpfer ist. Nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal in seinem Leben.

Zwar fiel Lauda in der Unfallklinik Ludwigshafen ins Koma und erhielt schon die heilige Ölung. Doch dank der Mediziner und mit der Unterstützung seines Physiotherapeuten Willi Dungl erholte er sich in Rekordzeit. Nur 42 Tage nach dem verhängnisvollen Crash in Deutschland startete er wieder bei einem Rennen, ausgerechnet beim Großen Preis von Italien. Lauda wurde Vierter, mit blutenden Wunden kam er ins Ziel. Durch die Brandverletzungen an den Augenlidern konnte er kaum blinzeln und war in der Sicht stark eingeschränkt. Es war ein Wahnsinn, dass er überhaupt an den Start gehen konnte.

Doch dieser Wille zur Selbstdisziplin und seine Furchtlosigkeit waren zeit seines Lebens dominante Charaktereigenschaften bei ihm. Nicht zuletzt deshalb wurde er zur Legende in seiner Sportart.

Der Mut, 1976 so rasch zurückzukehren, wurde am Ende aber nicht belohnt. Zwar führte Lauda die WM-Wertung bis zum letzten Rennen in Japan mit drei Punkten Vorsprung auf seinen härtesten Widersacher James Hunt an, doch wegen monsunartiger Regenfälle stellte er seinen Boliden nach zwei Rennrunden auf dem Fuji International Speedway in der Boxengasse ab. Das Angebot seines Ferrari-Teamchefs Daniele Audetto, den Medien einen technischen Defekt für das Vorgehen vorzugaukeln („Wir können dich schützen“), lehnte Lauda ab. „Ich hatte einfach Angst, bei diesen Bedingungen zu fahren, und wollte mich nicht ein zweites Mal umbringen“, gestand er ehrlich. Er wollte sich nicht hinter einer Lüge verstecken, eine klassische Lauda-Entscheidung. Ehrlich, geradlinig.

„Ich will nicht mehr im Kreis fahren“

Zu der Zeit drehte ich für den Südwestfunk einen Film über Lauda. Titel: Weiterleben und gewinnen. Das Einverständnis für die Dokumentation hatte ich mir vom Champion selber geholt und gesagt, dass es sein könne, dass wir ihn auch mal in Unterhose morgens im Hotel interviewen. Lauda zögerte keine Sekunde, sagte zu – weil er mir als Journalisten vertraute. Die Aufnahmen waren für damalige Verhältnisse bahnbrechend.

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1977 wurde Lauda zum zweiten Mal Weltmeister und zum ersten Mal Österreichs Sportler des Jahres, kehrte am Ende der Saison Ferrari allerdings den Rücken. Er hatte bei seinem Rennstall trotz der Erfolge einen Mangel an Unterstützung ausgemacht, also ging er zunächst zu Brabham – und 1979 ganz. „Ich will nicht mehr im Kreis fahren“, sagte er über sein Karriereende. Die Meinung hielt drei Jahre, dann kam er zurück und wurde schließlich 1984 im McLaren sogar noch einmal Champion.

Niki Lauda gestorben
Quelle: dpa/Nuck Ut

Zu diesem Zeitpunkt hatte er sich aber bereits ein weiteres Standbein aufgebaut: die eigene Fluggesellschaft Lauda Air. Auch dort feierte er große Erfolge, bis ein schlimmer Zwischenfall eintrat, der noch weitaus schwerer wog als der eigene Crash am Nürburgring. Am 26. Mai 1991 stürzte eine seiner Maschinen auf dem Weg von Hongkong über Bangkok nach Wien ab. Alle 223 Insassen kamen ums Leben.

15 Minuten nach dem Zwischenstopp in Bangkok war das Flugzeug, eine Boeing 767, aus etwa 7500 Meter Höhe kurz vor der thailändischen Ortschaft Phu Toey abgestürzt. Ich sah Lauda ein paar Tage nach dem dramatischen Unfall in Wien, er sagte mir, dass er selbst vor Ort gewesen sei, mehrere Nächte nicht geschlafen habe, um der Unfallursache auf den Grund zu gehen. Das sei er den Hinterbliebenen der Opfer schuldig. „Sonst mache ich mir mein ganzes Leben lang Vorwürfe.“

Lauda fand heraus, dass Probleme bei der Schubumkehr zu einem Strömungsabriss und schließlich zum Absturz geführt hatten. Ein Konstruktionsfehler an der Boeing. Den Hersteller machte er dafür haftbar und gewann als kleine Fluggesellschaft gegen ein Weltunternehmen. Da glänzte Lauda nicht als Rennfahrer, sondern als unbestechlicher Managertyp. Es war vielleicht die größte Leistung seines Lebens. Ein Mann, der stets an seine Grenzen ging.

Dass er dafür körperlich Tribut zollen musste, war klar. Zwei Nierentransplantationen waren die Folge seines Unfalls am Nürburgring, ebenso wie die im letzten Sommer vorgenommene Lungentransplantation in Wien. Davon hat er sich nicht mehr erholt. Am Montag schlief Niki Lauda im Kreis seiner Familie ein. Er wurde 70 Jahre alt.

Nun hat Lauda seine letzte Fahrt hinter sich. Ich trauere um den Verlust eines echten Freundes und großen Champions. Niki, mach’s gut.

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