Stellen Sie sich vor, ein Bundesliga-Fußballer würde jetzt sagen:

"Meine Mitspieler und ich sind besorgt um unser Land und auch unsere Branche. Also reduzieren wir für mindestens die nächsten drei Monate unser Gehalt auf das eines Krankenpflegers, des wahren Leistungsträgers unserer Gesellschaft. Wir wollen zwar bald wieder spielen, damit unser Verein, aber auch der gesamte deutsche Fußball überleben und die Leute ein bisschen Abwechslung haben. Außerdem fehlt uns das Fußballspielen so sehr. Aber weil wir wissen, dass unser Job nicht nur, aber vor allem in Corona-Zeiten einem Privileg gleichkommt, wollen wir eine Gegenleistung erbringen. Und wir geben gern, weil wir sehr viel haben."

Die Realität ist eine andere. Zwar verzichten manche Profis tatsächlich auf Gehalt, allerdings insgesamt auf geringe Anteile. Obwohl der Ball ruht, verdienen viele weiter Millionen. Gleiches gilt für Manager und Trainer.

Thomas Müller hat diese Woche sogar seinen Vertrag verlängert. Bald erhält er wohl noch mehr als die geschätzten 15 Millionen Euro im Jahr. Fans feierten diese Nachricht. Einige von ihnen werden in diesen Wochen von ihren Vereinen angeschrieben und darum gebeten, bereits bezahlte Tickets nicht zurückzuverlangen. Am liebsten zu 100 Prozent.

Wie Krisennachrichten im Raumschiff Fußball klingen, ist einem Interview Jörg Neblungs zu entnehmen: "In den nächsten zwei Jahren", sagte der Spielervermittler dem Portal transfermarkt.de, "wird es tendenziell keinen 300-Millionen-Transfer geben." Frei übersetzt: Der Fußball wird hungern und darben.

Die Fußballclubs waren die Letzten, die in den Corona-Stillstand wechselten. Am 8. März fand das Spiel Bayern gegen Augsburg in einer ausverkauften Arena statt, während gleichzeitig die Politik empfahl, Veranstaltungen mit mehr als 1.000 Menschen zu unterlassen. Einen Tag später spielte der VfB Stuttgart gegen Bielefeld, noch einen Tag später Leipzig gegen Tottenham, jeweils in vollen Stadien. Vielleicht sind Fußballspiele gar keine Infektionsherde, wie es anfangs geheißen hatte. Doch das Signal war: Egal, was ist, wir machen weiter.

Nun sind die Fußballer die Ersten, die wieder anfangen. Ein ganzes Land sitzt zu Hause, viele haben Angst um ihre Jobs. Doch seit Anfang dieser Woche trainieren alle Bundesliga-Vereine in Kleingruppen, manche haben schon früher begonnen. Und die Deutsche Fußball Liga (DFL) plant Geisterspiele ab Anfang oder Mitte Mai. Das Ziel sei es, die unterbrochene Saison bis zum 30. Juni zu Ende zu bringen, um das TV-Geld zu sichern.

Der Volkssport Fußball wird von Politik und Behörden seit Langem stets gut behandelt. Doch diesmal könnte es ihm schwerfallen, sich der Öffentlichkeit zu erklären und seine Privilegien durchzusetzen.

So sähe Fußball in Zeiten von Corona aus: Ins Stadion soll nur ein Minimum an Beteiligten, etwa rund 240 Leute. Die Mannschaften und ihr Umfeld werden etwa alle drei Tage auf Corona getestet, insgesamt etwa 20.000-mal. Zudem müssten sich die Spieler weitere Wochen an Kontaktverbote halten. Begleitet wird das Projekt von einer Taskforce, mehrheitlich bestehend aus Sportmedizinern. Und wie man in politischen Kreisen hört, wird auch aus Kostengründen erwogen, die Spiele in wenigen ausgewählten Stadien auszutragen.

Jetzt Fußball zu spielen, ist ein Sonderrecht

Die Vertreter des Fußballs rechtfertigen ihr Vorhaben damit, dass sie die Leute ein bisschen aufmuntern und ihnen ein paar andere Nachrichten liefern wollen als Corona. Der DFL-Chef Christian Seifert sagte aber im Gespräch mit der ZEIT auch offen: "Bei uns geht es wie in anderen Unternehmen um ein Produkt, das von Erwerbstätigen auf und neben dem Platz hergestellt wird. Und wenn nicht produziert werden kann, ist das existenzgefährdend mit Konsequenzen für Arbeitsplätze."

Zwar finden viele Fans die Idee der DFL gut, können sich zumindest übergangsweise mit den stimmungsarmen Geisterspielen anfreunden. Es gibt aber auch welche, die in dem Wunsch nach dem Kicken ein unzulässiges Sonderrecht erkennen. Zurzeit müssen jede Wäscherei und jeder Kiosk geschlossen bleiben, Menschen werden von der Polizei von Parkbänken verscheucht, andere Sportler müssen in ihrer Küche oder auf dem Balkon trainieren. Und der Fußball will spielen. Zudem beanspruche er Testkapazitäten, die woanders gebraucht würden.

Überhaupt, welche Bilder werden zu sehen sein und nicht nur Kinder zum Nachahmen verführen, wenn wieder gespielt würde? Den zurzeit gebotenen Abstand zu anderen Menschen von anderthalb Meter kann auf dem Platz ja nicht mal die Dortmunder Abwehr immer einhalten.