Alle zwei Jahre treffen sich neun Menschen und entscheiden, wie hoch der Mindestlohn sein soll. Drei Arbeitgebervertreter, drei Gewerkschaftsfunktionäre, zwei Wissenschaftler und eine Vorsitzende der Kommission sitzen dann zusammen, so will es das Gesetz. In ihrer kleinen Runde knobeln sie aus, wie viel mehr Geld Geringverdiener haben sollten – und kommen regelmäßig zu Beschlüssen, bei denen man nur den Kopf schütteln kann.

Ab dem kommenden Jahr soll der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland von aktuell zwölf auf 12,41 Euro in der Stunde steigen. Und man fragt sich: Ist das ernst gemeint oder ein schlechter Scherz? Zur Einordnung: Die Inflation lag im vergangenen Jahr bei 7,9 Prozent. Für dieses Jahr gehen Expertinnen und Experten von weiteren sieben Prozent aus, für 2024 von noch mal drei. Insgesamt steigen die Konsumentenpreise in diesem Zeitraum also wahrscheinlich um mehr als 17 Prozent.

Die Inflation trifft Geringverdiener besonders

Geringverdiener betrifft das besonders, nach Berechnungen doppelt so stark wie Menschen mit hohem Einkommen. Niedrigverdiener müssen einen viel höheren Anteil ihres Gehalts für die Dinge ausgeben, die teurer geworden sind. Zum Beispiel für Lebensmittel, die heute 17,2 Prozent mehr kosten als noch vor einem Jahr, hinzu kommen die Gas- und Stromrechnung, die höhere Miete, das teurere Benzin.

Und was beschließt die zuständige Kommission? Eine Erhöhung des Mindestlohns um 3,41 Prozent. Das ist viel zu wenig und zeigt, dass dieser Prozess nicht mehr funktioniert. Eigentlich sollen sich ihre Mitglieder laut Gesetz bei ihrer Empfehlung an den Tariferhöhungen orientieren. Und die liegen in diesem Jahr zum Beispiel im öffentlichen Dienst für Menschen mit niedrigen Einkommen bei 16 Prozent. Teile der Kommission scheinen das zu ignorieren, weswegen sich die Expertinnen und Experten wohl auch erstmals seit Bestehen des Gremiums nicht einvernehmlich einigen konnten. Die Arbeitnehmervertreter lehnten die geringe Erhöhung nach eigenen Angaben ab, doch sie seien überstimmt worden. Dass die Kommission es nicht geschafft hat, sich auf einen Konsens zu einigen, zeigt: Sie gehört abgeschafft.

Da hilft es auch nicht, dass der Mindestlohn ab dem Jahr 2025 weiter auf 12,82 Euro steigen soll. Ja, es ist gut, dass die Untergrenze in den kommenden zwei Jahren angehoben wird – aber das ist in Krisenzeiten zu wenig.

Die Politik sollte den Mindestlohn selbständig erhöhen

Gewerkschaften hatten 13,50 Euro gefordert, Sozialverbände sprachen sich für 14,13 Euro in der Stunde aus. Nun kann man darüber streiten, ob das zu hoch gegriffen ist, aber eines ist klar: Der jetzige Beschluss ist zu weit davon entfernt. 

Offiziell handelt es sich übrigens auch nur um einen Vorschlag, der von der Bundesregierung per Verordnung verbindlich gemacht werden muss. Eigentlich ist das Formsache, aber in diesem Fall sollte die Regierung einschreiten.

Allen voran sollte Arbeitsminister Hubertus Heil handeln und politisch eine andere Erhöhung für die fast sechs Millionen betroffenen Angestellten durchsetzen. Und ja, das geht: Bereits im vergangenen Herbst zeigte die Regierung, dass sie den Mindestlohn per Gesetz an der Kommission vorbei anheben kann. Damals schon war vielen Menschen klar, dass der bis dato letzte Vorschlag der Expertinnen und Experten, eine Erhöhung auf 10,45 Euro, nicht ausreicht. Zumindest nicht, wenn man nicht will, dass Menschen trotz Arbeit in Armut leben und sich vor der Rente fürchten müssen. Die Politik handelte und erhöhte den Mindestlohn auf zwölf Euro. Und genauso wie im Oktober sollte sie nun auch selbst bestimmen, wie der Mindestlohn weiter steigt – und das am besten von jetzt an immer.