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Essen & Trinken Gastronomie

Wenn Restaurantgäste weder „Hallo“ noch „Danke“ sagen

„Essen gehen ist ein wunderbarer Luxus – egal wo“, sagt Sophie Lehmann „Essen gehen ist ein wunderbarer Luxus – egal wo“, sagt Sophie Lehmann
„Essen gehen ist ein wunderbarer Luxus – egal wo“, sagt Sophie Lehmann
Quelle: Rene Flindt
Dienstleistung werde inzwischen als Selbstverständlichkeit betrachtet, meint Sophie Lehmann, Chefin im Restaurant „100/200“. Aber warum kracht es zwischen Köchen und Gästen immer öfter?

Gemeinsam mit ihrem Mann Thomas Imbusch führt Sophie Lehmann das „100/200“ in Rothenburgsort: In diesem Jahr wurde das Team mit dem ersten Michelin-Stern ausgezeichnet, seine moderne Interpretation von Fine Dining wird hochgelobt. Doch auch in diesem ausgezeichneten Lokal fallen immer wieder Gäste mit fragwürdigem Benehmen auf. Die Mitarbeiter müssen aus Diskretionsgründen darüber schweigen. Doch Lehmann und Imbusch machten ihren Unmut auf Instagram öffentlich. Hier erklärt sie, warum.

ICONIST: Frau Lehmann, was war der Auslöser für Ihre Aktion auf Instagram?

Sophie Lehmann: Zunächst sollte ich vermutlich betonen, dass es wirklich nur um das Auftreten einiger weniger Gäste ging. Gleichzeitig war der Kommentar aber alles andere als impulsiv, sondern sehr wohl überlegt – und mit dem ganzen Team abgestimmt. Es war einfach an der Zeit, einmal deutlich zu sagen: So geht es nicht!

ICONIST: Was ist denn passiert?

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Lehmann: Das Ganze ist Teil einer schleichenden Entwicklung, die sich überall in der Gastronomie bemerkbar macht. Dienstleistung wird inzwischen als Selbstverständlichkeit betrachtet. Bei uns konkret hat sich das in vielen kleineren und größeren Gesten immer wieder gezeigt. Durch unser Restaurantkonzept haben wir grundsätzlich einen sehr engen Gästekontakt. Wir kommunizieren vorab ziemlich genau, was wir machen, wofür wir stehen und was die Gäste bei uns erwartet.

Trotzdem beobachten wir seit einiger Zeit, dass der Respekt für unsere Arbeit und unser Handwerk mitunter auf der Strecke bleibt. Das kann im Kleinen ein Gast sein, der kein „Hallo!“ oder „Danke!“ über die Lippen bringt, wenn man ihn begrüßt und die Tür aufhält. Aber es gibt eben auch Gäste, die im Gespräch mit Argumenten wie „Was wollen Sie mir denn schon sagen, Sie sind doch nur Koch!“ kommen. Oder auch solche, die schon im Restaurant auf Onlineplattformen kundtun, wie lächerlich sie alles bei uns finden.

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ICONIST: Woran stören sich denn die Gäste?

Lehmann: Das kann alles Mögliche sein: Die Lage des Restaurants in Rothenburgsort, die Lautstärke der Musik, die Weinauswahl und natürlich auch die Zubereitung der Gerichte. Wobei ich gar nicht genug betonen kann: Es geht nicht darum, dass wir Kritik ablehnen.

ICONIST: Worauf führen Sie diesen Mangel an Respekt zurück?

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Lehmann: Grundsätzlich sind wir in der Gastronomie alle Dienstleister, und als solche geben wir uns natürlich größte Mühe, den Gästen jeden Wunsch zu erfüllen. Aus alldem hat sich aber über die Jahre die Erwartungshaltung verschoben. Statt sich gegebenenfalls zu freuen, wird immer und überall erwartet, dass das Unmögliche möglich gemacht wird. Darüber hinaus lassen sich manche Restaurantbesucher kaum noch auf neue Erlebnisse ein. Wir leben in einer Welt, in der es ganz normal ist, wenn ein Lokal auf der Speisekarte Pizza, Sushi und Hamburger anbietet. Da fällt es einigen schwer, sich auf spitzere Gastronomie-Konzepte einzulassen. Und ganz generell ist das Thema Kochen natürlich im Moment allgegenwärtig.

ICONIST: Sie meinen die Heerscharen selbst ernannter Foodies?

Lehmann: Genau. Wobei es ja sehr positiv ist, dass wir alle einen viel besseren Zugang zum Thema haben und auch deutlich besser informiert sind. In mancherlei Hinsicht ist dabei aber die Wertschätzung für das Erlebnis Restaurant verloren gegangen. Man kann sich doch gar nicht oft genug vergegenwärtigen: Essen gehen ist ein wunderbarer Luxus – egal wo.

ICONIST: Wobei die Erwartungen an ein Sternelokal wie das „100/200“ sicherlich besonders hoch sind.

Lehmann: Mit Sicherheit und auch völlig zu Recht. Wir wünschen uns darum auch nur eine gewisse Offenheit und Unbefangenheit. Man sollte nicht immer nur vergleichen, in welchem Sternelokal denn nun die Kaviar-Portion am größten war oder welcher Kollege es wo irgendwie anders machen würde. Die Vielfalt der Restaurants ist doch etwas Wunderbares. Und nicht jeder, der ein Steak braten kann, ist deshalb gleich ein Experte in der Zubereitung von Rind.

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ICONIST: Ist es wirklich so extrem?

Lehmann: Das ist vielleicht überspitzt. Aber tatsächlich ist ein gewisses Konkurrenzdenken zu beobachten. Im Sinne von: „Du bist der Koch, aber ich kann das auch!“ Außerdem haben wir folgende Erfahrung gemacht: Wenn wir Rindfleisch servieren, gibt es mit Abstand die meisten Anmerkungen. Für ein rein vegetarisches Menü hingegen gab es deutlich weniger Kritteleien. Ich bin mir sicher, dass das nicht an unserer Fleischzubereitung liegt, sondern daran, dass den meisten Gästen bei vegetarischen Menüs jegliche Vergleichbarkeit fehlte und sie sich darum uneingeschränkt und komplett offen auf dieses Experiment eingelassen haben. Ich möchte wahrlich nicht den Eindruck erwecken, dass der Gast dem Gastronomen gefallen muss. Am Ende gilt: Seid Gast, und freut euch, Gast zu sein!

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ICONIST: Und an welcher Stelle müssen die Gastronomen an sich arbeiten?

Lehmann: Bei uns im „100/200“ versuchen wir zu merken, wenn sich ein Gast mal nicht so wohlfühlt, wie es unser Anspruch ist. Wenn man offen darüber redet und dem besonders Hungrigen vielleicht mit einem Extra-Dessert entgegenkommt, dann ist das viel effektiver, und beide Seiten haben ein besseres Gefühl.

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