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Politik Wie Clan-Chef Miri

Tausende abgeschobene Asylbewerber wieder im Land

Politikredakteur
Miri versuchte offenbar in die Türkei einzureisen

Kurz nach seiner Abschiebung aus Deutschland hat der libanesische Clanchef Ibrahim Miri offenbar vergeblich versucht, in die Türkei zu gelangen. In Istanbul soll ihm die Polizei die Einreise verweigert und ihn zurück in den Libanon geschickt haben.

Quelle: WELT/ Christoph Hipp

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Fast 30.000 Asylsuchende, die Deutschland verlassen mussten, sind hierher zurückgekehrt. „Jeder Verstoß gegen das Einreiseverbot muss künftig in Haft enden“, fordert CSU-Politikerin Lindholz. Horst Seehofer sieht dringenden Handlungsbedarf.

In dieser Woche sorgte der Anführer der Miri-Mafia erneut für Aufsehen, weil er nach seiner zweiten Abschiebung in den Libanon ankündigte, wieder nach Deutschland zurückkehren zu wollen. Nach Angaben der Bundesregierung, die WELT AM SONNTAG vorliegen, finden solche Mehrfachwiedereinreisen in beträchtlichem Umfang statt. Tausende Asylbewerber wurden demnach schon mehrmals abgeschoben oder reisten bereits mehrmals freiwillig aus.

Insgesamt sind 28.283 Asylbewerber, die seit 2012 eingereist sind und einen Antrag gestellt haben, dann aber abgeschoben worden oder ausgereist sind, inzwischen wieder hier – und haben mindestens einen weiteren Antrag gestellt. Die Mehrzahl von ihnen, nämlich 22.050, ist „erst“ einmal wieder eingereist, befindet sich also im zweiten Anlauf.

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Laut den Daten lebten zum Stichtag 30. Oktober 4916 Asylbewerber im Land, die seit 2012 schon zweimal eingereist waren, dann jeweils abgeschoben wurden oder freiwillig ausreisten und inzwischen wieder eingereist sind und ihren dritten Antrag gestellt haben. Bei 1023 der aktuell im Land lebenden Asylbewerber ist es bereits der vierte Anlauf. Einige hier lebende Asylbewerber, nämlich 294, sind sogar schon bei fünf oder mehr Versuchen angelangt.

2019 stellten bisher 3243 Rückkehrer einen neuen Antrag. Das geht aus Antworten der Bundesregierung auf Anfragen des AfD-Abgeordneten Martin Sichert hervor, die WELT AM SONNTAG vorliegen. Dort heißt es, „differenzierte belastbare Angaben“ zur Art der Ausreise ließen sich nicht ermitteln. Es bleibt also unklar, wie viele der wiedergekehrten Asylbewerber freiwillig ausgereist und wie viele abgeschoben worden waren.

Wie die WELT AM SONNTAG aus Behördenkreisen erfuhr, sind unter den 28.283 Deutschland-Rückkehrern aber nicht solche Ausländer, die nach ihrem ersten Antrag mit „Fortzug nach unbekannt“ gespeichert wurden. Mit dieser Bezeichnung werden solche Bewerber vermerkt, zu denen während oder nach ihrem Asylverfahren jeder Behördenkontakt abbricht. Dies geschieht, wenn ein abgelehnter Asylbewerber im Land untertaucht oder wenn er unangemeldet in ein anderes Land oder seinen Herkunftsstaat umzieht.

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Auch bezieht sich die Zahl 28.283 nur auf Asylbewerber. Unter den Abgeschobenen und vor allem unter den gefördert freiwillig Ausgereisten sind aber auch viele Ausländer, die nie etwas mit dem Asylsystem zu tun hatten – beispielsweise solche, die einmal mit einem Arbeits- oder Familienvisum kamen und dann kriminell wurden.

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Ebenso sind Sonderfälle wie der des abgeschobenen kriminellen Libanesen Miri nicht in der Zahl der 28.283 Deutschland-Rückkehrer enthalten. Der Straftäter war nämlich schon lange vor 2012 als 13-Jähriger mit seiner Familie in die Bundesrepublik gekommen. Schon damals war es eine erfolgversprechende Strategie für illegale Migranten, das Asylsystem für die Zuwanderung zu missbrauchen. Miri war damals mit seiner Familie abgelehnt, aber nicht abgeschoben worden.

Bis heute gibt die Bundesregierung keine Angaben heraus, wie viele Abgeschobene insgesamt später wieder einreisten, doch sie sieht Handlungsbedarf. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte vor drei Wochen nach der Wiederkehr des abgeschobenen Straftäters Miri einen Referentenentwurf seines Hauses angekündigt, der es ermöglichen soll, Ausländer mit einer Wiedereinreisesperre für die gesamte Dauer ihres erneuten Asylprüfverfahrens in Haft zu nehmen. Bisher ist dies nur für wenige Monate möglich, oft erfolgt gar keine Festnahme.

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Quelle: WELT / Sandra Saatmann

Nach Informationen der WELT AM SONNTAG wird ein solches Gesetz in diesem Jahr aber wohl nicht mehr dem Kabinett vorgelegt, weil das Bundesjustizministerium intern schwere Bedenken angemeldet hatte. Andrea Lindholz (CSU), die Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, sagte: „Jeder Verstoß gegen ein geltendes Einreiseverbot, das nach Abschiebungen grundsätzlich verhängt wird, muss künftig unmittelbar in der Haft enden.“

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Doch auch falls sich die schwarz-rote Koalition bald auf eine solche Anpassung der Gesetze einigen sollte, besteht weiterer Handlungsbedarf bei den kurzen Fristen der Wiedereinreisesperren. Diese werden in der Regel bei ins Herkunftsland Abgeschobenen nur für ein bis drei Jahre verhängt, bei den Dublin-Abschiebungen in die zuständigen europäischen Länder meist nur für ein halbes Jahr. Wer nach der Abschiebeandrohung freiwillig ausreist, erhält in der Regel gar keine Wiedereinreisesperre.

Dieser Text ist aus der WELT AM SONNTAG. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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Quelle: WELT AM SONNTAG

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