Die #MeToo-Debatte hat ein enorm verbreitetes Verhalten zutage gefördert: die Selbstverständlichkeit, mit der Männer Frauen als knackige Körper und leichte Beute betrachten und ernsthaft glauben, ein kurzer Griff oder markiger Spruch sei kein Grund zur Aufregung. In gewisser Weise ist das aber nur die Oberfläche eines tiefergehenden Problems.

Darunter liegt die sozial verfestigte Asymmetrie, dass es bei Frauen mehr aufs Aussehen ankommt als bei Männern. Dies ist ein altes, seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden etabliertes und in sehr vielen Gesellschaften auftauchendes Muster. Bei der Partnerwahl und auch sonst im Leben gilt: Die Frau muss in erster Linie schön sein; beim Mann schadet Schönheit nicht, sie wird durchaus goutiert, entscheidend sind aber letztlich Status oder Leistung. Die Frau ist mehr als Körper präsent, der Mann mehr als Geist, Witz, Wille.

Leider gibt es wenig Anzeichen, dass dieses Muster derzeit in nennenswertem Umfang angegriffen oder hinterfragt würde – auch nicht von Frauen. Solange es nicht zu Grapschereien oder verbalen Übergriffen kommt, solange es nur darum geht, sich täglich hübsch zu machen, in Sachen Kleidung und Make-up eine perfekte Performance hinzulegen, scheinen die meisten Frauen keine Einwände gegen ein gesellschaftliches Rollenschema zu haben, das ihnen die Zuständigkeit fürs Gutaussehen zuweist. Frauen und Mädchen im 21. Jahrhundert machen sich so eifrig schön wie chinesische Prinzessinnen im Kaiserreich oder die Hofdamen des europäischen Barocks (da taten es aber immerhin die Männer mit ähnlichem Elan). Sie stellen freizügig ihre Reize zur Schau: Mädchen tragen Hotpants, Businessfrauen figurbetonte Kostüme und glänzende Strumpfhosen, feiernde Frauen im Nachtleben sind durchgestylt vom Scheitel bis zur Sohle.

Wenn aber – mit Marx – radikal sein heißt, ein Problem bei der Wurzel zu packen, dann müssen Frauen schon auf dieser tieferen Ebene dazu ansetzen, aus dem asymmetrischen Regime des Gutaussehenmüssens auszubrechen. Sie müssen aufhören, sich zu schminken, zu schmücken und zu stylen, sich selbst permanent als Körper zu präsentieren. Sie müssen einfordern, dass berufliche Dresscodes symmetrisiert werden und auch für Frauen eine stilvolle, aber nicht körperbetonte Businesskleidung zur Verfügung steht. Der #MeToo-Diskurs muss zu einem #OhneMich-Diskurs weiterentwickelt werden, der die Botschaft verkündet und verbreitet: "Ich mache dieses Spiel nicht mehr mit. Ich tue nicht mehr für mein Aussehen als der durchschnittliche Mann, und ich stelle meinen Körper nicht stärker zur Schau als der durchschnittliche Mann."

Da die Asymmetrie das Problem ist, kann sie natürlich prinzipiell in zwei Richtungen aufgelöst werden: indem Frauen sich weniger schön machen, oder indem Männer sich mehr schön machen. Die Gegenrichtung wäre theoretisch ebenso denkbar, und es gibt dazu in jüngerer Zeit ja auch durchaus Ansätze und Angebote an Männer vonseiten der Mode-, Kosmetik- und Fitnessindustrie. Trotzdem ist die erste Richtung aus verschiedenen Gründen zu bevorzugen. Hier sind es wir Frauen, die etwas ändern können – heute und sofort –, statt von den Männern einzufordern, dass sie sich ändern sollen.

Werft die High Heels auf den Müll!

Hier müsste der Bruch beginnen, und nicht erst bei der Abwehr von Übergriffen. Solange wir uns bereit erklären, unsere Hintern in hautenge Hosen zu zwängen, unsere Beine in Strumpfhosen vorzuführen und auf hohen Absätzen daherzuklappern, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir als "knackiger Hintern" oder "scharfe Schnitte" wahrgenommen werden. Dass enge Hosen und hohe Schuhe Männern kein Recht zum Grapschen und zu schlüpfrigen Sprüchen geben, bleibt dadurch unbenommen. Männer müssen sich kontrollieren und ihre Hände und Zunge im Zaum halten – selbst wenn die Wahrnehmung von Körperattributen sich aufdrängt, ist der Überschritt zum Handeln in keinem Fall erlaubt. Aber zwischen dem Recht auf körperliche und kommunikative Unversehrtheit und einem Auftreten im Geiste des Egalitarismus liegen Welten. Solange wir nur auf Erstere pochen, sind wir Teil des Systems. 

Deshalb, Frauen, Schwestern, Geschlechtsgenossinnen: Lasst das Schminken sein! Legt die Kosmetikdosen in den Schrank und kauft sie nie mehr nach. Wenn ein Männergesicht ohne Tünche schön genug ist für die Welt, warum nicht auch ein Frauengesicht? Hört auf, jeden Tag schicke, formlich und farblich aufeinander abgestimmte Klamotten zu tragen! Zieht das an, was im Schrank gerade oben liegt. Spart die Energie, die das Schminken, Augenbrauenzupfen, Nägellackieren, Beinerasieren, Schmuckanlegen, Shoppen, Durchblättern von Modemagazinen kostet, und steckt sie in das Voranbringen eurer Karriere durch Lernen, Leistung, Sachverstand, oder wahlweise in Spaß und Erholung. Geht nicht mehr als einmal im Vierteljahr zum Friseur.

Werft die High Heels auf den Müll! (Oder reserviert sie für seltene private Gelegenheiten.) Der Mann trägt sein Leben lang Schuhe, die so geformt sind, dass sie der Anatomie des Menschen als Laufwesen angepasst sind. Dass Frauen dazu gebracht werden, Schuhe zu tragen, die des anatomischen Baus des Menschen spotten, ist ein haarsträubender Missstand, gegen den sich schon lange eine Bewegung aus Ergonomen, Ärzten und bewegungsbewussten Frauen hätte formieren müssen.