Der Yen stürzt nach dem Angriff Irans auf Israel weiter ab – Japans Notenbank und Finanzministerium stehen unter Druck

In Krisen steigt der Yen als Fluchtwährung meist im Wert. Doch die historische Yen-Schwäche dauert an. Das schürt Wetten auf eine Devisenintervention und eine frühe Anhebung des Zinses.

Martin Kölling, Tokio 4 min
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Der japanische Finanzminister Shunichi Suzuki sagte am 16. April 2024, dass die japanische Regierung bereit sei, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit die japanische Währung zum ersten Mal seit 34 Jahren unter den Wert von 154 Yen gegenüber dem US-Dollar falle.

Der japanische Finanzminister Shunichi Suzuki sagte am 16. April 2024, dass die japanische Regierung bereit sei, alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit die japanische Währung zum ersten Mal seit 34 Jahren unter den Wert von 154 Yen gegenüber dem US-Dollar falle.

Kimimasa Mayama / EPA

Nicht einmal der Angriff Irans auf Israel konnte Japans Rolle bezüglich des Yen als Fluchtwährung wiederbeleben. Kaufen Anleger bei globalen Krisen gewöhnlich Japans Währung, setzte sich auch diese Woche der Fall der japanischen Währung auf teilweise historische Tiefwerte fort und schürte damit Spekulationen über eine Intervention des Finanzministeriums am Devisenmarkt oder eine raschere Zinserhöhung der Notenbank.

Obwohl die Bank of Japan (BoJ) im letzten Monat ihren Leitzins erstmals seit 2007 auf 0 bis 0,1 Prozent erhöht hatte, stieg der Dollar weiter an und übertraf diese Woche sogar erstmals seit dem Jahr 1990 die Marke von 154 Yen. Der reale effektive Wechselkurs, der auch andere Währungen, Handelsströme und Inflation berücksichtigt, sackte sogar auf den tiefsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen 1970 ab.

Die Wechselkursstrategen der japanischen Investmentbank Nomura warnten daraufhin: «Das kurzfristige Augenmerk liegt auf möglichen Massnahmen des Finanzministeriums.» Naoki Kamiyama, Chefstratege des japanischen Vermögensverwalters Nikko Asset Management, ergänzte: «Die Bemühungen der BoJ, die höheren Importkosten in den Griff zu bekommen, könnten die nächste Zinserhöhung daher beschleunigen.»

Der Fall des Yen stellt Japan vor ein Dilemma

Damit steigen die Wetten am Markt, dass Japans Notenbank bereits bei ihrer Sitzung im Juli ein zweites Mal die Zinsen anheben könnte. Denn der starke Fall des Yen stellt die Regierung wie auch die BoJ vor ein Dilemma. Auf der einen Seite wollen sie eine langsame Zinswende durchführen, um die Wirtschaft nicht zu schocken, und heissen nach fast drei Jahrzehnten der Deflation eine moderate Inflation willkommen. Auf der anderen Seite droht der weitere Fall des Yen, die Preise zu sehr in die Höhe zu treiben. «Vorbei sind die Zeiten, in denen der schwache Yen begrüsst wurde», urteilt Nikkos Chefstratege Kamiyama.

Zwar hat der schwächere Yen die Aktienkurse auf Rekordniveau angehoben. Denn ein schwächerer Yen bläht die Auslandgewinne japanischer Exportkonzerne durch die Währungsumrechnung auf. Die Politik sorgt sich aber zunehmend um die Nachteile des Wertverfalls für nicht exportorientierte Unternehmen. Sie müssen immer mehr für Bauteile und Rohstoffe aus dem Ausland bezahlen.

Die Wetten auf eine weitere Yen-Schwäche steigen

Inzwischen korrigieren viele Analysten ihre Yen-Prognosen weiter nach unten. Beispielsweise hat Shusuke Yamada, Chefstratege für japanische Devisen und Zinssätze bei der Bank of America in Tokio, seine Yen-Prognose für das Jahresende von 142 auf 155 Yen korrigiert. Zwischendurch könnte der Yen seines Erachtens sogar auf 160 Yen zum Dollar abrutschen. Denn die starken Konjunkturdaten in den USA dämpfen die Erwartungen, dass die US-Notenbank die Zinsen senken werde.

Er rechnet daher damit, dass sich der Kapitalfluss aus Japan und damit die Yen-Schwäche fortsetzen wird. «Es gibt keine Zeichen, dass die direkten Investitionen japanischer Unternehmen im Ausland nachlassen», so Yamada. Denn während in Japan die Bevölkerungszahl immer stärker schrumpft, suchen viele Unternehmen im Ausland nach Wachstum.

In den vergangenen zwölf Monaten hätten die Unternehmen 25,4 Billionen Yen (155 Milliarden Euro) im Ausland investiert, während die Investitionen ausländischer Firmen in Japan nur 1,3 Billionen Yen (7,9 Milliarden Euro) ausmachten. Das bedeutet, dass in der Zeit 24,2 Billionen Yen (148 Milliarden Euro) aus Japan abgeflossen sind.

Zusätzlich nutzen nun auch japanische Privatpersonen höhere Steuerfreibeträge auf Aktienanlagen, um sich im Ausland einzukaufen – unter anderem in der Hoffnung auf Wechselkursgewinne durch einen fallenden Yen. Diese Yen-Verkäufe drücken daher die Landeswährung weiter.

Die Möglichkeiten zur Gegenwehr sind begrenzt

Eine Möglichkeit zur Gegenwehr ist eine Intervention des Finanzministeriums am Devisenmarkt wie letztmals im Herbst 2022. Aber Richard Katz, ein bekannter Japan-Beobachter in den USA, wirft ein: «Die Erfolgsbilanz ist nicht gut.» Als der Dollar damals 150 Yen erreicht habe, habe das japanische Finanzministerium mit 9,19 Billionen Yen fast zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zur Stützung der japanischen Währung ausgegeben, so Katz, «und es hatte keine erkennbaren Auswirkungen».

Auch dieses Mal erwartet der Wechselkursexperte Yamada allenfalls eine kurze Kurskorrektur des Dollars unter 150 Yen und keine Yen-Wende. Das wäre eine gute Kaufgelegenheit.

Sollte der Dollar allerdings länger über 155 Yen steigen, sieht er wachsenden Druck auf die Notenbank, ihrerseits aktiv zu werden, um den Fall des Yen zu bremsen. Eine Methode wäre eine Zinsanhebung. Aber auch eine Senkung der Anleihekäufe wäre möglich. Obwohl beide Varianten einige institutionelle Anleger in Japans Anleihemarkt zurücklocken könnten, hält er es für «unwahrscheinlich, dass es den Trend der Kapitalabflüsse umkehrt».

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