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Weltflüchtlingstag Für diese Menschen bedeutete der Sehnsuchtsort Europa den Tod

Der dreijährige Alan Kurdi, ertrunken auf der Flucht übers Mittelmeer
Das Bild ging um die Welt: Der dreijährige Alan Kurdi, ertrunken auf der Flucht über das Mittelmeer, ist einer von mehr als 30.000 Migranten, die die Flucht nach Europa nicht überlebten.
© Foto: Nilufer Demir/Reuters
Das Netzwerk United for Intercultural Action sammelt Namen und Daten aller Menschen, die aufgrund ihrer Flucht nach Europa ihr Leben verlieren. Aus Anlass des Weltflüchtlingstages wollen wir dieser Toten gedenken. Das sind sie.
  • Jasminka (11) aus Bosnien. Gestorben am 12. 3. 1994 an den Folgen eines Brandanschlags auf ihre Roma-Familie in einem Flüchtlingsheim in Köln
  • Felix Garcia (28) aus Kuba. Tot aufgefunden am 21. 8. 1999 im Radkasten eines British-Airways-Flugzeugs auf dem Londoner Flughafen Gatwick
  • Seiny Dabo, Bouba Cisse, Diaw Sunkar Diemi und acht weitere, unbekannte Männer aus Afrika. Tot aufgefunden am 6. 5. 2001. Verhungert auf einem Boot während der Überfahrt von den Kapverden zu den Kanarischen Inseln

Der 20. Juni ist Weltflüchtlingstag. Die Vereinten Nationen haben diesen Tag im Jahr 2001 ins Leben gerufen, um an das Leiden der Menschen zu erinnern, die ihr zu Hause verlassen müssen, um vor Kriegen oder Hunger zu fliehen. Noch nie war der Tag so wichtig wie heute, denn noch nie waren so viele Menschen auf der Flucht wie derzeit. 68,5 Millionen Männer, Frauen und Kinder sind im Jahr 2017 aus ihrer Heimat vertrieben worden, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR berichtet. Der mit 85 Prozent allergrößte Teil von ihnen hat nahe der eigenen Heimat Zuflucht gefunden. Doch viele versuchen auch, sich nach Europa durchzuschlagen - und viel zu viele kommen dabei um.

  • Drei Mädchen, Namen und Alter unbekannt, aus Nigeria. Tot aufgefunden im März 2005. Gestorben an Dehydrierung bei dem Versuch, von Niger aus durch die Wüste Libyen zu erreichen
  • Junge (drei Monate), Name unbekannt, aus Subsahara-Afrika. Am 1. 4. 2005 bei der Bootsüberfahrt nach Spanien in den Armen seiner Mutter an Unterkühlung gestorben
  • Conrad Dixon (40) aus Jamaika. Verbrannte sich selbst am 19. 5. 2007 in Stoke-on-Trent, Großbritannien, nachdem sein Asylantrag abgewiesen wurde

Genau 34.361 waren es seit 1993, geht man von den Zahlen des Netzwerks United for Intercultural Action aus. Die europäische Organisation engagiert sich für Migranten und Flüchtlinge und kämpft nach eigenen Angaben gegen Nationalismus, Rassismus und Faschismus. In Zusammenarbeit mit der britischen Zeitung "The Guardian" hat United anlässlich des Weltflüchtlingstages eine Liste der Toten mit den dazu verfügbaren Daten veröffentlicht. Dazu gehören Datum, Name, Geschlecht, Alter, Herkunftsland, Todesumstände und die Quelle der Informationen. Sehr viele der Toten sind allerdings unbekannt.

  • Serge (43), Tatiana (±40), und Stefan (21) Serykh aus Russland. Sprangen am 7. 3. 2010 aus dem 15. Stock eines Gebäudes in Glasgow, Großbritannien, nachdem ihr Asylantrag abgelehnt wurde
  • Samia Yusuf Omar (21) aus Somalia. Im April 2012 ertrunken bei dem Versuch, per Boot von Libyen nach Italien zu kommen.  Die Leichtathletin und Olympiateilnehmerin war in ihrer Heimat mit dem Tod bedroht worden
  • Kahve Pouryazdan (49) aus dem Iran. Verbrannte sich am 20. 2. 2014 in Tübingen selbst, nachdem er zehn Jahre lang vergeblich versucht hatte, in Deutschland Asyl zu bekommen.

Und ebenfalls sehr viele Tote tauchen in der Liste gar nicht auf, denn sie führt nur die Fälle auf, die irgendwo dokumentiert sind. Die tatsächliche Zahl derer, die auf der Flucht nach Europa ihr Leben verloren haben, dürfte mit ziemlicher Sicherheit weit höher sein: Flüchtlinge, die irgendwo im Meer ertrinken und niemals gefunden werden. Vertriebene, die in der Wüste verloren gehen. Menschen, die in fernen Flüchtlingscamps aus Verzweiflung Suizid begehen, ohne dass irgendjemand darüber berichtet.

  • Junge (16) aus Afghanistan, Name unbekannt. Am 10. 10. 2015 von den Taliban ermordet, nachdem er gemeinsam mit seinem Bruder von Dänemark zurück in seine Heimat geschickt wurde
  • Frau (40) und Mädchen (14) aus dem Irak, Namen unbekannt. Am 8. 12. 2014 nach dem Durchqueren des Flusses Rezovo an der türkisch-bulgarischen Grenze erfroren
  • Khalid Safi (18) aus Afghanistan. Am 1. 12. 2016 in einer Londoner Straße erstochen. Zuvor hatte der Migrant fünf Jahre lang allein im französischen Calais gelebt

Doch auch wenn sie nicht alle Fälle aufführen kann: Die Liste der Toten gibt einen erschütternden Einblick in die Verzweiflung, die Leiden und die Grausamkeiten, die mit der Flüchtlingskrise - einer der größten Krisen unserer Zeit - verbunden sind.

  • Junge (12), Name unbekannt, aus Syrien. Am 15. 9. 2017 von türkischen Grenzbeamten beim Überqueren der syrisch-türkischen Grenze erschossen
  • Mann (28), Name unbekannt, aus Gambia. Am 14. 1. 2018 auf dem Dach eines Zuges von Ventimiglia, Italien, nach Menton, Frankreich, durch einen Stromschlag getötet
  • Snaid Tadese (19) aus Eritrea. Erdrosselte am 20. 4. 2018 in einem Flüchtlingsheim im thüringischen Eckolstädt mutmaßlich aus Verzweiflung ihr Baby und erhängte sich anschließend selbst
Hier finden Sie die vollständige Liste des Netzwerks United for Intercultural Action und des "Guardian".

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