Eine Partei demonstriert gegen eine Demonstration. Ein nicht unbedingt üblicher Vorgang, aber in der CSU scheinen derzeit die Nerven blank zu liegen. Die Stadtratsfraktion hatte versucht, die Veranstaltung #ausgehetzt in München zu verhindern; in der Nacht von Samstag auf Sonntag hatte die CSU zahlreiche Plakate in der Münchner Innenstadt aufstellen lassen, auf denen steht: "Ja zum politischen Anstand" – "Nein zu #ausgehetzt" – "Bayern lässt sich nicht verhetzen". 

Inzwischen hat die Demonstration am Münchner Goetheplatz begonnen und wird quer durch die Innenstadt führen. In mehreren Kundgebungen wollen die Veranstalter Themen wie Asyl, Migration, Wohnen, Arbeit, Sozialpolitik, Gleichstellung oder das jüngst verschärfte und heftig umstrittene bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) thematisieren. Unter dem Stichwort "ausgehetzt" hatten insgesamt 130 Organisationen sowie zwei bekannte Münchner Theater aufgerufen, "ein Zeichen gegen den massiven Rechtsruck in der Gesellschaft" zu setzen und gemeinsam gegen "eine Politik der Angst" vorzugehen.

Die CSU fühlt sich von der Veranstaltung angegriffen, da sich diese explizit gegen die Flüchtlingspolitik der Partei richtet. Auf dem Plakat sind prominent die Köpfe des Bundesinnenministers und Parteichefs Horst Seehofer, des Ministerpräsidenten Markus Söder und des Landesgruppenchefs im Bundestag Alexander Dobrindt zu sehen.

Die CSU hatte im Vorfeld versucht, die Demonstration zu verhindern. Dabei war es zu einem öffentlichen Machtkampf zwischen der Partei und den beiden Intendanten der Münchner Kammerspiele und des Volkstheaters, Matthias Lilienthal und Christian Stückl, gekommen. Der Fraktionsvorsitzende der CSU im Rathaus, Manuel Pretzl, hatte beantragt, der Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) solle den Kammerspielen den Aufruf zur Demonstration untersagen und dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen die Verantwortlichen einleiten. Lilienthal war einer der Erstunterzeichner des Aufrufs gewesen. Als am vergangenen Mittwoch Stückls Vertrag verlängert wurde, blieb der zweite Bürgermeister Josef Schmid (CSU) der Unterzeichnung demonstrativ fern und begründete dies mit dem Neutralitätsgebot. Stückl und Lilienthal hätten nicht als Privatpersonen, sondern als Theaterchefs zu der Demo aufgerufen, sagte Schmid. Öffentliche Institutionen wie die städtischen Bühnen seien "aus gutem Grund dazu angehalten, sich politisch neutral zu verhalten".

Stückl sagte dem Bayerischen Rundfunk, die Demonstration sei keine Veranstaltung gegen eine politische Partei, sondern eine "gegen die Verrohung der Sprache und gegen Hetze". Er glaube nicht, dass er politisch neutral sein müsse. Aber wenn es so sein sollte, "dann muss man mich rügen. Trotzdem stehe ich dahinter".

Matthias Lilienthal sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich will aber eine Kultur der politischen Debatte." Manuel Pretzl von der CSU könne ja "versuchen, mich zum zweiten Mal rauszuschmeißen". Lilienthal spielte damit auf einen Beschluss der CSU an, gegen eine Verlängerung seines Engagements nach 2020 zu stimmen. Eine Mehrheit im Münchner Stadtrat wäre damit kaum möglich. In der Folge hatte Lilienthal angekündigt, seinen Vertrag nicht zu verlängern. Während die CSU ihren Entschluss mit der Wirtschaftlichkeit begründete – die Auslastung des Münchner Traditionstheaters war unter Lilienthal auf 63 Prozent gesunken –, sehen viele Beobachter dessen politische Haltung als Mitursache. So hatte der Berliner Theatermann mit seiner Kunstaktion Shabbyshabby Apartments im Herbst 2015 vier Wochen lang provisorische Hütten an zentralen Orten der Münchner Innenstadt aufstellen lassen, um auf die hohen Mietpreise hinzuweisen. Er äußerte sich in der Vergangenheit auch immer sehr kritisch gegenüber der CSU.