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Rechtsruck in Europa Arbeitslos und abgehängt - wie Italiens wütende Jugend den Populisten zur Macht verhilft

Junge Italiener finden keine unbefristeten Jobs mehr.
Junge Italiener finden keine unbefristeten Jobs mehr.
© Stefano Guidi/ / Picture Alliance
In Rom regieren nun Lega Nord und Fünf Sterne. Ausgerechnet die Jugend hat sie ins Amt gewählt, denn die Jungen sind wütend und verzweifelt. Die etablierten Parteien haben eine ganze Generation einfach abgeschrieben.

In ganz Europa wächst die Kraft von populistischen politischen Bewegungen. Nach dem Schock des Brexit schien die Welle zunächst gebrochen, als Emanuel Macron souverän über Le Pen triumphierte. Inzwischen ist die Popularität des charismatischen Präsidenten dahin. In der aktuellen Umfrage von YouGov France erreicht Macron nur noch einen Zustimmungswert von 30 Prozent. Damit dürfte er mit Abstand der unbeliebteste Präsident im Westen sein.

Während der Sieg Macrons verblasst, ist in Italien, einem der Kernländer der EU, eine explizit populistische Koalition der Fünf Stern Bewegung und der Lega Nord an der Macht.  Das "Wall Street Journal" hat gefragt: Was treibt die populistische Springflut an? Und die Antwort zumindest für Süd-Europa ist eindeutig: Es ist eine Generation wütender junger Menschen, die von Wirtschaft und etablierten Parteien abgeschrieben wurden. Anders als es manche Kommentatoren denken, sei der Ruck nach rechts eine "Jugendrevolte" und kein "Aufstand alter Männer", so das "WSJ".

Jugend ohne Zukunft in Italien

Grund ist die ökonomische Chancenlosigkeit. Es handelt sich um eine Jugend, für die es keinen Platz im Wirtschaftssystem gibt. Typisch für Italien und andere Südländer ist ein geteilter Arbeitsmarkt. Die Alten, mit einem unbefristeten Vertrag, sind praktisch unkündbar, haben eine gute Bezahlung und genießen zahlreiche Sozialleistungen. Für Neuanstellungen gibt es hingegen nur noch befristete Verträge. Möglich machen das sogenannte Arbeitsmarktreformen.

62 Prozent der Arbeitsverträge für 25-Jährige im Jahr 2017 waren befristet. Eingeführt wurden diese Gesetze in den 1990er, damit junge Leute leichter in den Arbeitsmarkt kommen. Es zeigt sich nun, dass eine ganze Generation keine berufliche Sicherheit finden wird. Heute gibt es die paradoxe Situation, dass die Jungen in Scharen die Populisten wählen. Häufig leben sie in den Wohnungen und vom Einkommen der Älteren, die wiederum die Alt-Parteien unterstützen.

Keine Chance auf dauerhafte Beschäftigung

Die 5-Sterne-Bewegung konnte Millionen junger Wähler mit dem Versprechen gewinnen, diese Arbeitsgesetze zurückzunehmen. Zusätzlich sollen unbezahlte Ausbildungsverträge abgeschafft werden. Arbeitslose und Arme sollen ein universelles Grundeinkommen von 780 Euro im Monat erhalten. Ein Vergleich mit der Diskussion in Deutschland führt in die Irre. In Deutschland wäre dieses Grundeinkommen kaum höher als der Hartz-IV-Satz. In Italien würde das Grundeinkommen es den Betroffenen ersparen, von der Rente ihrer Eltern leben zu müssen.

Aus der ökonomischen Not resultiere auch die ablehnende Haltung gegenüber Migranten. Sie werden als zusätzliche Konkurrenz um die geringe staatliche Hilfe und die wenigen Jobs gesehen. "Wir können nicht ganz Afrika beherbergen", sagte Gianluca Taburchi, ein 23-jähriger Supermarktmitarbeiter, der für die Liga gestimmt hat, dem "WSJ". "Wir haben unsere eigenen Probleme. Wir haben viele Arbeitslose und unsichere Arbeitsplätze."

Eigenständiges Leben nicht möglich

Die unsicheren Beschäftigungsverhältnisse führen zu einem prekären Leben. Mit einem befristeten Vertrag ist es in Italien unmöglich, eine Immobilie zu erwerben. In einem Land, in dem Mietwohnungen nur eine geringe Rolle spielen, verhindert dieses Manko, einen eigenen Haushalt zu gründen. Inzwischen lebt die Hälfte der Italiener zwischen 25 und 34 Jahren bei den Eltern. In den Medien werden sie gern als Nesthocker verhöhnt, dabei sind mehr als ein Drittel der Italiener zwischen 30 und 40 Jahren von wirtschaftlicher Hilfe ihrer Eltern oder Großeltern abhängig. Kein Wunder, dass das Heiratsalter in Italien deutlich steigt, während zugleich die Zahl der Geburten einen historischen Tiefstand erreicht.

Das "WSJ" sprach auch mit der 29-jährigen Hochschulabsolventin Giada Gramanzini. Einen qualifizierten Job konnte sie nicht bekommen, als Empfangsdame verdiente sie in Italien ganze 2,80 Euro die Stunde – ganz legal. Gramanzini wählte nicht die Fünf Sterne, sondern eine kleine pro-europäische Partei. Sie glaubt an Europa, aber nicht an eine Zukunft in Italien. Inzwischen ist sie in die USA ausgewandert.

Kra

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