Mit Blick auf die steigenden Infektionszahlen in anderen europäischen Ländern hat der Berliner Virologe Christian Drosten vor einer ähnlichen Entwicklung hierzulande gewarnt. Angesichts der derzeit in Deutschland gemeldeten Neuinfektionen müsse man sich klarmachen, "dass wir, wenn wir die Kurven übereinanderlegen, etwas hinterherhinken hinter Spanien und Frankreich und England", sagte der Leiter der Charité-Virologie. Er betonte, "dass wir uns aber auch nicht vormachen sollten, dass sich das bei uns alles ganz anders entwickelt. Wir machen auch jetzt nicht sehr viele Sachen sehr anders".

Drosten sagte, es gebe "ein paar Details, die vielleicht bei uns anders sind als in Südeuropa. Unsere Haushalte sind häufig kleiner, wir haben mehr Einpersonenhaushalte", sagte er. Es gebe weniger Mehr-Generationen-Familien, in denen das Virus über die Altersgrenzen sehr leicht verbreitet werde. "Das sind sicher Unterschiede. Aber ansonsten ist Deutschland nicht viel anders als diese europäischen Nachbarländer. Darum müssen wir da sehr vorsichtig sein und sehr genau beobachten, wie es jetzt weitergeht."

Testtätigkeit ist in Deutschland nicht viel größer als anderswo

Laut Drosten sei zwar die Testhäufigkeit in Deutschland extrem groß – aber erst seit dem Beschluss, Reiserückkehrerinnen und -rückkehrer zu testen. "Das ist eine Testhäufigkeit, die wir in Deutschland so nicht mehr lange durchhalten können." Die Testtätigkeit, die man vorher in Deutschland gehabt habe und bald wieder haben werde, sei nicht viel höher als in anderen europäischen Nachbarländern. "Darum müssen wir schon die Zahlen ernst nehmen", sagte der Virologe.

Wie Drosten erklärte, gingen die Fallzahlen in Deutschland über den Sommer zu einem großen Teil auf Rückkehrerinnen und Rückkehrer aus dem Urlaub zurück, die das Virus nicht unbedingt in großem Maße hierzulande weitergetragen hätten. Diese Infizierten gäben eher Hinweise auf die Corona-Lage im Herkunftsland. "Was wir jetzt im Moment sehen, ist eine Reflexion durchaus wieder von dem, was in Deutschland los ist in Form von Virusfällen."

RKI meldet 1.916 Neuinfektionen

Derweil meldet das Robert Koch-Institut (RKI) 1.916 Corona-Neuinfektionen. Damit blieben die Zahlen unter der Rekordmarke vom Donnerstag, an dem es rund 2.200 Neuinfektionen gegeben hatte. Seit Beginn der Corona-Krise haben sich demnach mindestens 267.773 Menschen in Deutschland nachweislich mit Sars-CoV-2 infiziert. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion liegt nach RKI-Angaben bei 9.378. Seit dem Vortag wurden sieben Todesfälle mehr gemeldet. Bis Freitagmorgen hatten etwa 238.700 Menschen die Infektion nach RKI-Schätzungen überstanden.

Die Reproduktionszahl, kurz R-Wert, lag nach RKI-Schätzungen in Deutschland laut Lagebericht vom Mittwochabend bei 1,00 (Vortag: 1,04). Aktuellere Daten hatte das RKI bis zum frühen Freitagmorgen nicht veröffentlicht. Das bedeutet, dass ein Infizierter im Mittel einen weiteren Menschen ansteckt. Der R-Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen etwa eineinhalb Wochen zuvor ab.

Zudem gibt das RKI in seinem aktuellen Lagebericht ein sogenanntes Sieben-Tage-R an. Der Wert bezieht sich auf einen längeren Zeitraum und unterliegt daher weniger tagesaktuellen Schwankungen. Nach RKI-Schätzungen lag dieser Wert bei 1,06. Er zeigt das Infektionsgeschehen von vor 8 bis 16 Tagen.