Wer wissen will, wie Union und SPD die Energiewende der Bürger endgültig begraben wollen, findet die Antwort in Zeile 3.274 ihres Koalitionsvertrags. Dort heißt es recht verklausuliert, dass "ausschließlich bundesimmissionsschutzrechtlich genehmigte Projekte" an Ausschreibungen" teilnehmen dürfen. 

Was nach einem unbedeutenden Nebensatz für Ökonerds klingt, verändert die Rahmenbedingungen für Deutschlands Windenergiebranche grundlegend. "Ausschließlich bundesimmissionsschutzrechtlich genehmigte Projekte" heißt: Bürgerwindparks sollen künftig keine Vorteile mehr gegenüber kommerziell betriebenen Anlagen genießen. Doch ohne solche Privilegien haben kleine Initiativen im Ausschreibungswettbewerb so gut wie keine Chance mehr. Ohnehin ist ihre Lage schlecht: Seit die Regierung im Jahr 2016 die Regeln für den Bau neuer Solar- und Windkraftwerke geändert hat, sind sie weitgehend raus aus dem Geschäft. Wird nun Zeile 3.274 des Koalitionsvertrags umgesetzt, könnte das ihr Ende besiegeln.      

Der Niedergang der kleinen Initiativen begann 2016. Dabei schwärmte Sigmar Gabriel, zu der Zeit noch Bundeswirtschaftsminister, damals noch von der Energiewende als einem Projekt aller. Bürgerinitiativen müssten genauso eine Chance haben, mitzumischen, wie die großen Energiekonzerne, sagte er. So wollte der Minister die Akzeptanz der Bürger sichern. Denn allerorts kam Widerstand auf: gegen Windparks, Stromtrassen und die Energiewende überhaupt. Sie sei zu teuer und bringe zu wenig, so die Kritik. 

Ausnahmen für die Akteursvielfalt

Gabriel baute die staatliche Förderung des Ökostroms von Grund auf um. Es war das Ende eines jahrzehntelang praktizierten Modells. Statt einer festen, garantierten Vergütung pro Kilowattstunde gibt es seither Auktionen. Wer den Windstrom am günstigsten produziert, erhält den Zuschlag – und um kleine, finanzschwache Bürgerinitiativen nicht von vornherein aus dem Preiswettbewerb auszuschließen, gewährte die Regierung ihnen einen besonderen Vorteil: Im Gegensatz zu den kommerziellen Projektierern müssen die Initiativen in einer Ausschreibung keine immissionschutzrechtliche Genehmigung vorlegen, die ihren Windparks bescheinigt, unbedenklich für Mensch und Umwelt zu sein. 

"Das ist eine gute Geschichte", lobte der Minister damals. Auf den ersten Blick gaben ihm die Zahlen Recht. Im vergangenen Jahr schrieb die Bundesnetzagentur drei Auktionen für Windparks aus. Und in der dritten Ausschreibung zum Beispiel erhielten Bürgerenergiegesellschaften fast 98 Prozent der Zuschläge.

Profi-Entwickler statt Bürgerinitiativen

Ist die Energiewende also fest in der Hand der Bürger? Das Gegenteil ist der Fall, denn hinter der Mehrheit der genehmigten Projekte, die unter dem Etikett einer Bürgergesellschaft laufen, stecken in Wahrheit große, professionelle Windparkentwickler: mittelständische Unternehmen, die mit einem Team von Juristen und Ingenieuren Windparks im großen Stil planen, betreiben und teilweise sogar mit ihnen handeln. Um als Bürgerinitiative durchzukommen, müssen sie nur zwei Bedingungen erfüllen: Mindestens zehn echte Personen müssen an ihnen beteiligt sein und diese Personen müssen mehrheitlich in dem Landkreis wohnen, in dem der Windpark gebaut werden soll. Wie groß die Gesellschaften sind, spielt hingegen keine Rolle.  

So ist aus einer Vorschrift, die ursprünglich die Demokratisierung der Energiewende unterstützen sollte, das Gegenteil geworden. "Eigentlich wollte die Politik etwas Gutes tun. Aber einige kluge Unternehmer haben daraus ein Geschäftsmodell gemacht", klagt Umweltminister Olaf Lies (SPD) aus dem Windland Niedersachsen. Sein Kollege aus Baden-Württemberg, der grüne Energieminister Franz Untersteller, ist ebenfalls sauer: "Die Ausnahme wurde zur Regel, die auch von vielen Bietern genutzt wurde, die nicht zu den klassischen und schutzwürdigen Bürgerenergiegenossenschaften gehören." 

Eines des Unternehmen, das die neue Variante der Bürgerenergiewende perfektioniert hat, ist der Windparkentwickler UKA aus dem sächsischen Meißen. Bis vor wenigen Jahren war UKA noch ein no name in der Windenergiebranche. Bei der ersten Ausschreibungsrunde nach Einführung der Auktionen erhielt das Unternehmen keinen einzigen Zuschlag. "Wir hatten die Wahl", sagt Geschäftsführer Gernot Gauglitz, "entweder 400 Angestellte zu entlassen oder unser Geschäftsmodell anzupassen."