Die Verhaftung des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Carles Puigdemont in Deutschland interessiert Zeitungen in ganz Europa. Was ist vom Zugriff der deutschen Behörden zu halten? Wird durch die Verhaftung der innerspanische Konflikt beruhigt oder weiter eskaliert?

Die in Madrid erscheinende Zeitung El Mundo schließt sich der Haltung der spanischen Zentralregierung an, wonach die katalonischen Separatisten Gesetze gebrochen haben. "Es ist beruhigend festzustellen, dass in einem Rechtsstaat niemand über dem Gesetz steht, dass die Justiz mit den von den Richtern vorgegebenen Rhythmen arbeitet und dass die Zusammenarbeit der Polizei in Europa eine Realität ist." Nun müsste die Unabhängigkeitsbewegung noch einmal nachdenken. "Inzwischen sollte sie wissen, dass es außerhalb des Gesetzes nur Tränen gibt."

Die italienische Zeitung La Repubblica geht davon aus, dass es noch Wochen dauern wird, bis über eine mögliche Auslieferung nach Spanien entschieden wird. "Aber der Eindruck ist, dass der katalanische Anführer in Deutschland aus politischer und juristischer Sicht weniger geschützt ist als in Belgien."

Die Londoner Times plädiert für einen politischen Dialog in Spanien: "Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat nicht wirklich etwas unternommen, um zu verstehen, warum ein bedeutender Teil der Katalanen auf Unabhängigkeit hofft." Stattdessen hänge er leidenschaftlich an den Buchstaben des Gesetzes und verfolge Separatistenführer nach Gusto. "Rajoys Regierung versucht, Stärke zu demonstrieren, doch stattdessen wirkt sie überängstlich." So habe sie die moralische Autorität "an eine respektlose politische Bewegung ausgeliefert, die diese meistens nicht verdient."

Der Schweizer Tages-Anzeiger merkt an, dass Belgien und die Schweiz Puigdemont nicht ausgeliefert hätten, "weil sie ihn nicht als Straftäter betrachten" – anders als nun Deutschland. "Der Katalonienkonflikt ist also in Berlin angekommen." Es herrsche Einigkeit in der Regierungskoalition in Berlin, dass der Kurs der katalanischen Separatisten weder legal noch legitim sei. "Doch können die EU-Staaten länger hinnehmen, dass Madrid versucht, eine demokratische Massenbewegung durch Gefängnis und Geldstrafen zu zerschlagen?"

Dies bemämngeln auch viele deutsche Kommentatoren. "Mit aller Macht verhindert die spanische Regierung eine neue katalonische Regierung", schreibt etwa die Nordwest-Zeitung. Ein Kandidat für das Amt des Regionalregierungschefs nach dem anderen werde in Handschellen abgeführt – "was nicht passt, wird passend gemacht." Auf diese Weise verhindere die Zentralregierung zwar, dass ein Separatist in Barcelona auf dem Chefsessel sitzt. "Aber gleichzeitig schwächt sie ihr Ansehen in Katalonien noch weiter – und stärkt das Unabhängigkeitsbestreben in der dortigen Bevölkerung umso mehr. Und das kann doch niemand ernsthaft wollen. Deutschland sollte daran auf keinen Fall mitwirken."

Die Welt betont indes, dass deutsche Politiker im Fall Puigdemont kein Mitspracherecht haben, denn "über Auslieferungen entscheiden einzig und allein Richter". Dennoch sei der Fall natürlich ein hoch politischer Fall – für die gesamte EU, die von Estland bis nach Zypern bei Nationalitätenfragen vermitteln müsse. Die Zeitung nennt das Minderheitenstatut für die auf dem Balkan lebenden Russen als Beispiel. Die Konflikte in und um Barcelona seien nun die nächste große gemeinsame Aufgabe. "Ein Klotz am Bein der EU dürfen sie nicht werden."

Eine besondere Rolle kommt dabei nun der Bundesregierung zu. "Deutschland findet sich mittendrin im spanisch-katalanischen Konflikt", heißt es in der Stuttgarter Zeitung. Das binde Kapazitäten und sei unerfreulich. "Allerdings: den Haftbefehl aus Madrid zu ignorieren, das wäre auch keine Alternative gewesen". Nun werde in den nächsten Tagen viel verhandelt werden müssen, über Auslieferungspflicht, Abschiebehemmnisse oder Asylmöglichkeiten. "Viel Freude werden die grenzsichernden Beamten der deutschen Politik mit ihrem Verhaftungserfolg nicht gemacht haben."

Für das Neue Deutschland aus Berlin ist die Verhaftung sogar "ein Schuss ins eigene Knie, eine Auslieferung an Spanien käme der Amputation des eigenen Beines gleich". Schließlich sei Puigdemont "wahrlich kein Radikaler ist, er ist ein bürgerlicher Nationalist – einer, mit dem die EU ganz sicher einen Kompromiss hätte finden können, wenn sie es denn gewollt hätte". Eine mögliche Auslieferung würde die katalanische Unabhängigkeitsbewegung nur weiter radikalisieren, warnt das Blatt weiter. "Gut möglich, dass die EU sich bald wünschen wird, sie hätte mit einem Gemäßigten wie Puigdemont verhandelt."

Ähnlich argumentiert die Hannoversche Allgemeine – Carles Puigdemont habe keinen gewaltsamen Aufstand organisiert, keine militärischen Aktionen geplant, keinen Bürgerkrieg provoziert – , kommt aber zu dem Schluss, dass nun vor allem die katalanischen Separatisten nach Nachsehen haben. Sie hätten die Wut und die Macht der spanischen Institutionen unterschätzt. "Sie haben den Kampf verloren", schreibt die Zeitung aus Niedersachsen. "Katalonien bleibt ein Teil Spaniens."