Personalpolitische Überraschung am Dienstagabend in Berlin: Die CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wird neue Verteidigungsministerin und damit Nachfolgerin der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das erfuhr WELT zunächst von Teilnehmern einer Telefonschaltkonferenz des CDU-Präsidiums. Auch die Deutsche Presse-Agentur berichtete mit Bezug auf den stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Thomas Strobl. Später bestätigte Regierungssprecher Steffen Seibert die Personalie.
Diese kommt insofern überraschend, als dass sich die 56-jährige Kramp-Karrenbauer nach der Nominierung von der Leyens vor zwei Wochen eindeutig und unmissverständlich gegen einen Eintritt ins Kabinett positioniert hatte. Auf die damalige Frage der „Bild“, ob sie Ministerin werden würde, falls von der Leyen nach Brüssel wechseln sollte, antwortete Kramp-Karrenbauer wörtlich: „Ich habe mich bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln. Es gibt in der CDU viel zu tun.“
Trotzdem wurde in Präsidiumskreisen von einem starken Signal von Kramp-Karrenbauer gesprochen. Auch in dieser Runde sei die Entscheidung für viele völlig überraschend gekommen, hieß es. Die frühere saarländische Ministerpräsidentin hatte im Dezember den CDU-Vorsitz übernommen und sich dabei gegen den früheren Unions-Fraktionschef Friedrich Merz und Gesundheitsminister Jens Spahn durchgesetzt. Letzterer war zuletzt für den Posten des Verteidigungsministers gehandelt worden.
„Kanzlerin und Union zeigen erneut, dass sie die Belange der Bundeswehr nicht im geringsten interessieren“
In der FDP stieß die Personalie hingegen auf Kritik. Die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, sagte WELT: „Frau Kramp-Karrenbauer macht sich spätestens jetzt unglaubwürdig. Nachdem Sie wochenlang einen Regierungseintritt ausgeschlossen hat, wird sie nun ausgerechnet Verteidigungsministerin. Wir können davon ausgehen, dass Ihre Zeit nach den Landtagswahlen im Herbst bereits abgelaufen sein wird. Kanzlerin und Union zeigen erneut, dass sie die Belange der Bundeswehr nicht im geringsten interessieren. Sonst würden sie die gebeutelte Bundeswehr nicht für Personalspielchen missbrauchen.“
Und auch die Reaktion der Grünen fiel pessimistisch aus: Tobias Lindner, ihr sicherheitspolitischer Sprecher, sagte WELT: „Was die Kanzlerin bewogen hat, AKK zur neuen Verteidigungsministerin zu machen, bleibt zumindest vorerst ihr Geheimnis. Die Bundeswehr hat gerade im Moment viele Baustellen. Eine neue Ministerin muss in den kommenden Monaten viele wichtige Entscheidungen treffen. Ich hoffe, dass Frau Kramp-Karrenbauer das Amt ohne all zu große Einarbeitungszeit übernehmen kann.“
Von der Leyen hatte am Montag erklärt, ihr Amt schon auch dann schon am Mittwoch zur Verfügung zu stellen, wenn sie nicht gewählt werden würde. Ansonsten sind im Bundeskabinett offenbar keine weiteren Veränderungen geplant. Kramp-Karrenbauers Ernennung ist für Mittwoch um 11 Uhr im Schloss Bellevue vorgesehen. Damit nimmt Merkel an ihrem 65. Geburtstag ihre Wunschnachfolgerin als Kanzlerin in ihr Regierungsteam auf.
Merkel hatte bereits angekündigt, die wichtige Funktion könne man nicht unbesetzt lassen. „Es wird eine sehr schnelle Neubesetzung geben. Das Bundesverteidigungsministerium, der Verteidigungsminister oder die Ministerin, sind Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt. Das kann man nicht lange offen lassen“, sagte die Kanzlerin in Berlin.
Verteidigungspolitisch ist Kramp-Karrenbauer bislang kaum in Erscheinung getreten. In einem „Spiegel“-Interview verlangte sie im März Nachbesserungen beim Verteidigungshaushalt. Deutschland habe sich verpflichtet, den Anteil der Verteidigungsausgaben zu erhöhen. „Das ist im Etatentwurf nicht ausreichend abgebildet. Und das müssen wir bei den Haushaltsberatungen im Parlament möglichst korrigieren“, sagte Kramp-Karrenbauer seinerzeit.