Sind Kitagebühren gerechtfertigt und richtig? Deutschland steht vor einem Dilemma: Die Qualität der hiesigen Kitas ist im internationalen Vergleich nur durchschnittlich, gleichzeitig werden viele auch einkommensschwache Familien stark mit Kitagebühren belastet. Welche Prioritäten muss die Politik setzen: Die Qualität verbessern, oder Familien finanziell bei Kitagebühren entlasten?

Tatsächlich könnten wohl beide Ziele erreicht werden. Dafür müssten aber die üppigen Überschüsse im staatlichen Haushalt nicht länger per Gießkannenprinzip an alle ausgeschüttet werden; stattdessen sollten ärmere Familien gezielt von der neuen Bundesregierung entlastet werden. Dafür muss die neue Bundesregierung dieses extrem wichtige Thema von Qualität und Kosten der frühkindlichen Bildung in Deutschland hoch auf ihre Agenda setzen.

Was Kleinkindern an Fähigkeiten fehlt, können sie kaum noch aufholen

Die öffentlichen Ausgaben für Kitas sind in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen, vor allem durch den Ausbau der Betreuung für Kinder unter drei Jahren. Im Jahr 2015 beliefen sie sich auf rund 24 Milliarden Euro. Den Qualitätsrückstand im Vergleich etwa zu den skandinavischen Ländern konnte Deutschland mit diesem Geld nur verringern, aber nicht aufholen. Noch immer ist die Qualität der deutschen Kitas nur durchschnittlich. Aber eines der reichsten Länder Europas kann seinen Wohlstand langfristig nicht mit einem durchschnittlichen Bildungssystem behaupten. Deutschland muss hier höhere Ansprüche haben. 

Dabei ist die frühkindliche Bildung von fundamentaler Bedeutung. Was Kinder im Alter von sechs Jahren an kognitiven und nichtkognitiven Fähigkeiten fehlt, können sie später kaum mehr aufholen. Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Rendite jedes Euros, der in die frühkindliche Bildung fließt, ist deutlich höher als die eines Euros, der in Schulen oder Universitäten investiert wird. Gute Kitas sind daher ein enormer Wirtschaftsfaktor – und eine kluge Investition.

Auch die privaten Ausgaben der Familien für die Kitabetreuung in Deutschland sind massiv gestiegen, wie eine neue Studie des DIW Berlin zeigt: Für Kinder ab dem dritten Lebensjahr betragen die monatlichen Kosten mittlerweile im Durchschnitt 97 Euro. Noch krasser sind die Kitagebühren für Kleinkinder: Diese liegen heute bei 171 Euro monatlich – ein Anstieg um rund 75 Prozent seit 2005.

Armutsgefährdete Familien zahlen genauso viel wie reiche

Das für viele Schockierende ist, dass auch viele einkommensschwache Familien Kitagebühren zahlen müssen. Obwohl in den vergangenen Jahren einige Bundesländer solche Eltern von den Gebühren befreit haben, sind noch immer zwei Drittel von ihnen betroffen. Armutsgefährdete Familien, die Kitagebühren entrichten, verwenden dafür durchschnittlich acht Prozent ihres Einkommens für die Kita – und damit genauso viel wie reiche Familien.

Dies ist im doppelten Sinne skandalös, denn es widerspricht grundsätzlich dem Prinzip der Leistungsfähigkeit in unserem Sozialstaat. So werden einkommensschwache Familien recht stark mit Kitagebühren belastet, während Schulen und auch Universitäten, an denen meist Kinder einkommensstarker Familien studieren, gebührenfrei sind. Bildungsausgaben im frühkindlichen Bereich sollten progressiv sein – die Gebühren müssten also mit dem Einkommen der Eltern steigen. Das ist auch ein Gebot der Chancengleichheit. Wenn arme Eltern einen genauso hohen Anteil ihres Einkommens für Kitas zahlen wie reiche Eltern, wie das jetzt der Fall ist, ist diese Progressivität nicht gewährleistet.

Unter den jetzigen Belastungen ist es auch nicht verwunderlich, dass sich diese Familien kaum zusätzliche Bildungsausgaben außerhalb der Kita für ihre Kinder leisten können. Es gibt starke Anzeichen dafür, dass die hohe finanzielle Belastung durch Kitagebühren für Kleinkinder die Ungleichheit der Bildungschancen verstärkt: Zurzeit besucht lediglich jedes dritte Kind unter drei eine Kita, und dieses Angebot wird vor allem von einkommensstärkeren Eltern wahrgenommen. Dabei zeigen wissenschaftliche Studien, dass gerade Kinder aus bildungsfernen Familien besonders stark vom Kitabesuch profitieren – oft sind gerade das die einkommensschwächsten.