Der Literaturkritiker und Autor Karl Heinz Bohrer ist tot. Er starb am Mittwoch im Alter von 88 Jahren in London, teilte der Suhrkamp-Verlag auf Twitter mit. Der in Köln geborene Bohrer lebte zuletzt in der britischen Hauptstadt. Bekannt wurde Bohrer, der auch für die ZEIT schrieb, vor allem als Herausgeber und Autor der zunächst in München, später in Berlin angesiedelten Kulturzeitschrift Merkur zwischen 1984 und 2011.  

Über Kulturreportagen und literarische Essays war Bohrer zuvor zunächst in der Feuilletonredaktion der Welt in Hamburg gelandet, bevor er 1966 zur Frankfurter Allgemeinen Zeitung ging. Dort leitete er von 1968 an das Literaturressort, musste den Posten aber fünf Jahre später für Marcel Reich-Ranicki räumen. Seitdem wurde den beiden Literaturexperten immer wieder gegenseitige Abneigung bescheinigt.

Bohrer ging für die FAZ noch nach London, bevor er 1982 eine Professur für Neuere Deutsche Literaturgeschichte in Bielefeld übernahm. Von 2003 an war er Gastprofessor an der Stanford University in Kalifornien.

Bereits 1984 veröffentlichte Bohrer die Satire Die Ästhetik des Staates als Auftakt zu einer Reihe von Glossen über Deutschland und die Bonner Republik unter dem damaligen Kanzler Helmut Kohl. Für Bohrer herrschten in dieser Zeit Provinzialität und Konformismus in einem Land "ohne Ästhetik". 2012 erschien mit Granatsplitter der erste Teil von Bohrers Autobiografie, 2017 mit Jetzt. Geschichte meines Abenteuers mit der Phantasie der zweite Band seines Erinnerungsprojekts.

Für sein umfassendes Werk erhielt Bohrer zahlreiche Auszeichnungen wie den Lessing-Preis für Kritik (2000), den Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Künste (2005), den Heinrich-Mann-Preis der Berliner Akademie der Künste (2007) und das Bundesverdienstkreuz am Bande (2014).