An den Wänden hängen Ölgemälde. "Die habe ich alle selber gemalt", sagt Hans-Peter Mai*. Sein Lieblingsbild dominiert das Wohnzimmer: Das Sklavenschiff, die Kopie eines Bildes von William Turner. Wild aufgewühltes Meer, der Himmel strahlt in Rot-, Blau- und Gelbtönen, von bedrohlich grauen Wellen reflektiert. Der Mann hat Sinn für Farben. Oder besser: hatte. Denn Hans-Peter Mai ist vor fünf Jahren vollständig erblindet, das Gemälde, sein letztes, blieb unvollendet.

Von Geburt an leidet Mai an Retinitis pigmentosa, einer langsam verlaufenden, aber unheilbaren Augenerkrankung. Dabei sterben die Sinneszellen im Inneren des Auges langsam ab. Zuerst sind die Stäbchen betroffen, die für die Graustufen-Erkennung im Dämmerlicht zuständig sind. Später sterben auch die Zapfen, mit denen man im Hellen scharf und farbig sieht. "Dass etwas nicht stimmt, habe ich erst im Wehrdienst gemerkt", erinnert sich Mai. "Da bin ich auf einer Nachtwanderung gegen einen Baum gelaufen." Es folgten viele Untersuchungen und am Ende eine Diagnose: Bis zum 30. Lebensjahr werde er erblinden. Tatsächlich dauerte es dann aber 25 Jahre länger als prognostiziert. Das endgültige Aus kam auf einer Reise nach Wien vor fünf Jahren: "Das Riesenrad war das Letzte, was ich gesehen habe."