Sie gehört zu jeder US-amerikanischen Profisportveranstaltung. Die Hymne, der star-spangled banner, andächtig belauscht von Zuschauern und Sportlern, ist der erste Höhepunkt jedes Football-, Basketball- oder Baseballspiels. Normalerweise. Im US-Sport ist derzeit aber nichts normal, vor allem nicht in der NFL.

Die Pittsburgh Steelers blieben am Wochenende während der Hymne in der Kabine. Die Seattle Seahawks ebenso, genauso die Tennessee Titans. Andere Spieler knieten oder hakten sich unter, demonstrierten Einigkeit. Fast die gesamte Mannschaft der Oakland Raiders saß oder schaute mit verschränkten Armen grimmig drein oder kniete während der Hymne. "Ich liebe diese Männer, ich respektiere diese Männer", sagte ihr Cheftrainer Jack Del Rio. "Ich glaube, in letzter Zeit ist klar geworden, dass nichts dagegen spricht, seine Meinung auf friedliche Art kund zu tun, so wie sie es getan haben. Deshalb haben wir uns entschieden, vereint zu sein." Vereint vor allem gegen ihren Präsidenten Donald Trump.

"Penner"

"Runter vom Feld mit dem Hurensohn! Raus! Er ist gefeuert", hatte Trump ein paar Tage vorher bei einem Auftritt in Alabama gerufen, und bezog sich damit auf jeden Footballspieler, der es wage, während der Hymne zu knien. Das machten vereinzelte Sportler schon vor diesem Wochenende. Es waren nur wenige, aber sie wurden zum Politikum, weil sie sich durch diese Geste mit dem Quarterback Colin Kaepernick solidarisierten. Der hatte sich schon 2016 als Zeichen des Protests gegen die Ungerechtigkeiten und Rassendiskriminierung in den USA erstmals hingekniet. Kaepernick bekam, möglicherweise auch wegen seines politischen Engagements, keinen neuen Vertrag mehr. Das Thema schlief langsam ein, bis Trump kam.

Einen Tag nach seinem "Hurensohn"-Statement legte sich Trump auch noch mit einem anderen US-Sportstar an. Mit dem Basketballer Stephen Curry, der mit den Golden State Warriors die NBA gewann. Für gewöhnlich schauen die Meister aller großen US-Sportarten auch einmal im Weißen Haus vorbei. Doch Curry zögerte. "Wenn wir nicht gehen, löst das hoffentlich etwas Wandel aus", hatte Curry gesagt. Beleidigt zog Trump die Einladung zurück. LeBron James, der wohl beste und populärste Basketballer dieser Zeit, sprang Curry zur Seite und nannte Trump einen "Penner".

Trump legt sich also mit den Sportlern an. Nicht ungefährlich für ihn. Sportler sind populär, nicht nur in den USA. Der AfD-Politiker Alexander Gauland musste wohl selten für eine Äußerung so viel einstecken wie für seine Bemerkung vor der Fußball-EM 2016, man hätte den Nationalspieler Jerome Boateng nicht gerne als Nachbarn.

Die Teambesitzer könnten entscheidend sein

Der Sport ist in Amerika eine der wenigen Bereiche, in denen die Afro-Amerikaner vollends akzeptiert zu sein scheinen. Etwa 70 Prozent der NFL-Spieler sind schwarz. Im Basketball sieht es ähnlich aus. Im Sport ein Held, im Alltag ein Verbrecher – so erscheint derzeit häufig die Meinung über Afro-Amerikaner in den USA. 

Lange hatten es Trainer, Manager und Liga vermieden, sich zu Kaepernicks Protesten zu positionieren. Das hat sich am Wochenende zwar geändert, aber Fragen stellten sich dennoch. Wollten die Footballer nur gegen Trumps Ausfälle demonstrieren? Oder geht es ihnen um Kaepernicks Sache? Machen sie am nächsten Spieltag weiter?

Entscheidend könnten die Teambesitzer sein. Der amerikanische Profisport hat mit dem deutschen kaum etwas gemein. So stehen hinter den Clubs keine Vereine mit sozialem Auftrag, sondern Einzelpersonen oder Konsortien, die aus mehreren Mitgliedern oder Familien bestehen. Oft sind sie bereits vor dem Einstieg in den Sport erfolgreiche Unternehmer gewesen. Das Investment in den Sport dient nicht nur der Unterhaltung, sondern vor allem auch dem Profit. Deshalb wollen die Clubs ein ruhiges Umfeld. Politische Diskussionen? Bitte nur außerhalb der Stadien. Alles andere könnte schlecht fürs Geschäft sein.