Am Dienstag beginnen Großbritannien und die EU eine erneute Verhandlungsrunde über ihre künftigen Beziehungen. Nach dem Brexit gilt bis Ende des Jahres eine Übergangsphase, in der das Land noch zum Binnenmarkt und zur Zollunion gehört. Sollte innerhalb dieser Frist das geplante Handels- und Partnerschaftsabkommen nicht zustande kommen, müssten Zölle und andere Handelsbeschränkungen eingeführt werden.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan hat nun gefordert, die Übergangsphase zu verlängern. Am wenigsten könne Großbritannien in der Corona-Krise jetzt "mehr Chaos und Unsicherheit" gebrauchen, schrieb der Labour-Politiker an die Regierung von Premierminister Boris Johnson. Eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre wäre möglich, müsste aber noch im Juni beschlossen werden. Johnson lehnt dies allerdings strikt ab. 

"Ich fordere die Regierung auf, die politische Ideologie beiseitezustellen", heißt es in dem Schreiben Khans. Stattdessen sollte Großbritannien sich voll auf den Kampf gegen das Coronavirus konzentrieren. Das Land hat offiziellen Statistiken zufolge die meisten Corona-Todesopfer in Europa. Viele Wissenschaftler werfen der Regierung vor, zu spät reagiert zu haben.

EU-Unterhändler warnt die Regierung

Auch ein Ausschuss des britischen Oberhauses zeigte sich besorgt über die schleppenden Verhandlungen mit der EU und warnte vor einer Bedrohung für den wirtschaftlichen Wohlstand und die Stabilität in Nordirland. Zuvor hatte EU-Unterhändler Michel Barnier der Regierung in London deutliche Vorwürfe gemacht. "Großbritannien hat einen Schritt zurückgemacht – zwei, drei Schritte zurückgemacht – von seinen ursprünglichen Zusagen", sagte Barnier der Sunday Times.

Barnier beruft sich auf die gemeinsame politische Erklärung vom vergangenen Oktober, in der beide Seiten Eckpunkte vereinbart hatten. Die britische Seite beklagt, die EU wolle das Vereinigte Königreich auf Dauer enger als gewünscht an sich binden und es EU-Regeln unterwerfen. 

Kritische Punkte in den Verhandlungen sind vor allem die Forderung der Europäischen Union nach gleichen Wettbewerbsbedingungen, das Thema Fischerei und die Rolle des Europäischen Gerichtshofs bei möglichen Streitigkeiten. Sollte Großbritannien sich nicht am Wortlaut der Erklärung orientieren, werde es kein Abkommen geben, warnte Barnier.