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Bayrisch, Sächsisch und Co. Fischkopp und Lumpeseggler: Warum wir Dialekte feiern sollten

"Moin, Moin!" - Die Bewohner des Nordens von Deutschlands nennen sich spaßeshalber auch Fischköppe (Symbolbild)
"Moin, Moin!" - Die Bewohner des Nordens von Deutschlands nennen sich spaßeshalber auch Fischköppe (Symbolbild)
© © E+ / Getty Images
Oft gehört und selten geliebt: der Dialekt. In der Schule und bei der Arbeit ist es oft sogar verpönt, kein Hochdeutsch zu reden. Warum unsere Autorin Dialekte trotzdem cool findet.
Von Anne Richter

Dit is ja jottweedee! - Ich muss jetze uffe Kleeche. - Du kannsch mer mol de Buggl nunner rudsche, Lumpeseggler! - Joa freilich, Depp, damischer! - Klei mi an Mors.

Na, auch nichts verstanden? Das geht wahrscheinlich vielen so, denn der Dialekt ist vom Aussterben bedroht. Denkt ihr euch jetzt: "Na und, ist doch besser so"? Kein Wunder: In Deutschland hat der Dialekt ein echtes Imageproblem, dabei gibt es gute Gründe ihn zu pflegen. Die Zahl der Deutschen, die überhaupt noch ihre regionale Sprache sprechen können, nimmt immer weiter ab. Bei einer Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach gaben nur 48 % der Befragten an, Dialekt sprechen zu können. Vor 100 Jahren hingegen, war es noch fast die gesamte Bevölkerung. Besonders im Norden und Westen von Deutschland geht die regionaltypische Sprache immer mehr verloren.

Hochdeutsch – das "richtige" Deutsch

Auf dem Gymnasium in Halle, meiner Heimatstadt, war es ein absolutes No-Go, Dialekt zu sprechen. Dafür gab es keinen besonderen Grund. Vielleicht war es bei uns besonders verpönt, weil hallesch dem Sächsischen sehr ähnlich ist und Sächsisch der unbeliebteste Dialekt Deutschlands ist. Doch die wenigsten konnten überhaupt Dialekt sprechen. Es kam gar nicht in Frage. Obwohl einige Eltern sogar hörbar Mundart sprachen, hatten die Kinder damit nichts am Hut. Über diejenigen, die Hallesch redeten, machten sich die anderen teilweise sogar lustig. Es galt als bäuerlich und minderwertig. Die Lehrer lobten nur für besonders schönes Hochdeutsch. Doch irgendwann dachte ich mir: Warum in aller Welt soll es eigentlich so schlimm sein zu hören, woher man kommt?

Dialekte als Gesprächsthema Nummer eins

Als ich 2016 in Weimar anfing zu studieren, zog ich zu Hause aus. Nach dem Motto: Hauptsache, erst mal weg von den Eltern und allein leben! Wie für viele andere Studenten ging es aus Kostengründen erst mal in eine WG. Dort wohnte ich mit einem Münchener, einem Neubrandenburger und einer Berlinerin zusammen - also alle aus ganz verschiedenen Ecken Deutschlands. Ich war plötzlich umzingelt von völlig verschiedenen Kulturen und Dialekten. Meine Mitbewohner und ich waren sofort auf einer Wellenlänge. Wir verbrachten oft unsere Abende zusammen auf dem Balkon oder in der Küche. Tranken Bier, kochten zusammen und quatschten. Oder schnackten. Oder tratschten. Was denn nun? Jedes Mal freuten wir uns, wenn in einem Gespräch plötzlich jemand fragte: "Äh, sorry, aber was hast du gerade gesagt? Hab ich noch nie gehört!“ Und dann begann die Diskussion. Jeder erörterte erst einmal, wie denn die regionale Übersetzung bei ihm oder ihr laute.

Seid ihr bilingual?

Dialekt sprechen hat aber neben der Grundlage für Gesprächsthemen auch noch andere Vorteile. Studien belegen: Das Vorurteil, dass Kinder, die mit Dialekt aufwachsen, einen Nachteil in der Schule haben, ist kompletter Schwachsinn. "Ganz im Gegenteil", sagte Professor Anthony Rowley , Sprachforscher und Mundart-Experte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, der Zeitung "Baby und Familie": "Wenn ein Kind gleichzeitig mit Dialekt und Standardsprache aufwächst, gilt das für die Hirnforschung als eine Variante von Mehrsprachigkeit." Wenn ihr einen Dialekt sprecht, seid ihr sozusagen bilingual. Wie geil ist das denn, bitte?

Mehr noch: "In der Wissenschaft weiß man heute, dass Mehrsprachigkeit von Vorteil für die geistige Entwicklung von Kindern ist", so Rowley. Dies bestätigt auch eine Studie der Universität Oldenburg, die über mehrere Jahre hinweg Aufsätze von Dritt- bis Sechstklässlern untersuchte. Heraus kam dabei, dass Mundart sprechende Kinder 30 Prozent weniger Rechtschreibfehler machen.

Dialekte – ein wichtiger Teil unserer Kultur

Hätte ich das mal eher gewusst. Denn früher war auch ich Dialekten abgeneigt. Für mich klang es einfach nur primitiv, wenn jemand kein Hochdeutsch sprach. Heute finde ich es total genial, dass es so viele verschiedene Mundarten gibt. Sie sind ein wertvoller Teil der Kultur und das sollten wir feiern! Ich selber finde es schade, dass ich keinen Dialekt sprechen kann. Natürlich heißt das nicht, dass niemand mehr Hochdeutsch sprechen soll. Ich finde es sogar sehr wichtig. Schließlich müssen wir uns ja auch alle untereinander verständigen und manchmal ist Dialekt doch sehr schwer zu verstehen. Allerdings sollten wir aufhören, Dialekte schlecht zu machen, oder uns für sie zu schämen - denn sie bieten immer wieder etwas, worüber man zusammen lachen kann und gehören genauso wie das regionale Bier zur jeweiligen regionalen Kultur. Prost!

In diesem Sinne: Pfiat eich! Machet jut meinor! Tschöö! Tschüssing!

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