Auf einmal lieben wieder viele den Teletext, pünktlich zum 40. Geburtstag. Teletext ist Kunst. Pixeloptik, Blockschrift: Total retro, total fresh. Minimalistische Menüs, Seitenwahl per Tastenblock. Nicht nur Twitter schielt neidisch auf den vielleicht besten Kurznachrichtendienst der Welt. Teletext, das Rudiment aus älteren technologischen Zeitaltern, ist wieder knuffig, für ein paar Tage zumindest.

Teletext ist nie die große Revolution gewesen, anders als das Internet oder das Telefon. Im Ökosystem der Massenmedien hat er eine Nische belegt: die "Austastlücke". Das TV-Signal enthält mehr Daten, als ein Röhrenfernseher anzeigen kann: 50 Mal pro Sekunde muss nämlich der Elektronenstrahl, der das Bild auf die Mattscheibe malt, zum Anfangspunkt zurückkehren. Während dieser Zeit malt er nicht, braucht keine Daten. Und in dieser Datenlücke schickten ARD und ZDF ab 1980 den Teletext ans Publikum. 

Röhrenfernseher sind längst out, analoges Fernsehen auch. Die Abtastlücke braucht es nicht mehr, doch der Teletext ist immer noch da. Bis heute schicken die Sender die Untertitel ihrer Sendungen per Teletext an die Zuschauerinnen. Er ist verlässlich, genau wie die nächste Niederlage des HSV gegen Bayern München. Als der HSV noch in der Bundesliga war. Auch das hat der Teletext überlebt. 

Und doch stehen die Dinge nicht gut: Das Internet kann inzwischen alles besser, schneller, schöner und witziger. Sogar die Teletext-Optik imitieren. Das Internet ist dynamisch, der Teletext statisch. Dabei war er ein Pionier, das erste nicht-lineare Medienangebot in Funk und Fernsehen: 800 Seiten jederzeit und gratis zugängliche Informationen für das Publikum. Bis jetzt ist Teletext mit seinen prägnanten Nachrichten das Gegenteil von Informationsflut. 

Der ARD-Text, nach wie vor das beliebteste Angebot Deutschlands, präsentiert einen Karaoke-Dienst auf Seite 774, Rezepte wie "Hähnchenbrust mit Rhabarber" ab 470, Pegelstände der deutschen Flüsse auf 192. Das ZDF widmet sich auf Dutzenden Seiten den Aktienkursen. Kabel Eins empfiehlt sich ab Seite 444 Live-Astrologie, auf 447 wirbt die Zunft der professionellen Traumdeuter und Hellseher. Zahnbehandlungen in Budapest werden auf 515 verkauft, ein "besser-leben-service" verspricht Gratis-Atemmasken auf 586. Und dann kommen "Rastplatztreff", "Swinger mit", "stark behaart", alles da. Erotische Pixelnudes warten auf Kundschaft. Ein Geheimtipp auf Seite 563 von ProSieben: Sex ohne Orgasmus! Je höher die Seitennummern, desto mehr Darktext.

Ach, der Teletext hat sich wacker geschlagen. Er hat sich nicht wie VGA-Kabel, das Fax, die unkaputtbaren Nokias oder Windows XP auf den Müllhaufen der Technikgeschichte werfen lassen. Pro Tag rufen immer noch knapp zehn Millionen Deutsche den Teletext auf. Die Zahlen sinken, langsam. So langsam, dass der Retrotext hoffentlich noch eine ganze Weile daran erinnern kann, wie die Welt aussah, bevor alles schnell, dynamisch und verrückt wurde.