Wenn es in alten Kriminalgeschichten darum ging, den Grund für ein Verbrechen zu finden, lautete das Motto: Cherchez la femme! "Die" Frau war nie weit weg vom Tatort. Sie wirkte, durch Intriganz oder zersetzende Attraktivität, als Beschleunigerin des Unheils. Verbrechen wurden zwar von Männern verübt, aber von Frauen gewollt. Und am Ende von Männern aufgeklärt.

Seit Langem kämpft der deutsche Kriminalfilm gegen dieses Muster. Die erste Kommissarin im Tatort, eine gewisse Marianne Buchmüller, gespielt von Nicole Heesters, trat 1978 auf den Plan. Zwar wird sie auf der relevanten Website tatortfans.de noch als eher behäbige Gestalt beschrieben. Sie entspanne, so heißt es da, gern beim Friseur unter der Trockenhaube; außerdem habe sie ein Faible für Porzellanpüppchen, mit denen sie ihre Wohnung dekoriere. Doch es finden sich in ihrem Charakterprofil auch moderne Eigenschaften: "Ein Zuviel an Nähe mag Buchmüller nicht, obwohl sie Emotionen grundsätzlich zulässt. Die Kommissarin weiß einfach, was sie will. Gerne beendet sie deshalb Telefongespräche ohne Grußformel, sobald sie ihrem Gesprächspartner alles Nötige mitgeteilt hat."

Frau Buchmüller war eine Gestalt des Übergangs, der radikalere Frauen folgten. Im Lauf der Kriminalfilmgeschichte wurden die Telefongespräche immer kürzer, Grußformeln gab es bald gar keine mehr. In den neueren Filmen und Serien, die auf sich halten, dominieren Ermittlerinnen, deren Ziel es ist, das Cherchez-la-femme-Schema auf den Kopf zu stellen. Sie wollen nicht gefunden werden, sie verausgaben sich stattdessen in der Suche nach Wahrheit und Zusammenhang.

Sie sind innerlich ungebunden und nicht zu umwerben. Heimatlose Frauen, die unter der Eingesessenheit der Männer leiden. Galanterie macht sie mürrisch. Ein "Zuviel an Nähe" vereiteln sie schon im Ansatz, darin wittern sie den Anfang aller Korruption und männliche Tricks der Wahrheitsunterbindung, kurz: Hindernisse, die die Ermittlung stören.

Herb ist der Auftritt unserer Kommissarinnen. Ihr Verhalten lässt sich im Spiel von Anna Schudt studieren, die die Polizistin Martina Bönisch im Dortmunder Tatort mit einem rasenden Lebensgrant darstellt: eine aufgebrachte Frau, die schon auf 180 ist, wenn sie morgens erwacht. Männer vergreifen sich diesen klügeren Frauen gegenüber fast immer im Ton – rituell wird das in den Dresdner Tatorten vorgeführt, wo der von Martin Brambach gespielte Kommissariatsleiter Schnabel ganterhaft seine Rolle zwischen klarer denkenden, schneller durchblickenden Ermittlerinnen sucht. Die hinter dem Rücken des Alten mit den Augen rollen. Und die vom vielen Augenrollen ganz mürbe sind.

Von Lebenspartnern, sofern sie welche hatten, haben sich die meisten gelöst. Die wenigsten führen ein Privatleben. Als Übergangspartner dient bisweilen der Co-Ermittler. Oder eventuell sogar der müd gehetzte Verbrecher, dem man sich näher fühlt als den Bürgern, die man schützen soll. Denen misstraut die Kommissarin noch viel mehr.

Eins wird beim Studium des Tatorts klar: Liebe ist in heutigen Krimi-Zusammenhängen nicht zu haben oder jedenfalls nicht zu leben. Sex gibt es zwar, aber auch das Bett wird als Ort der Korruptionseindämmung verstanden und insofern zum Kampfplatz.