Mit einem Vorstoß des Verteidigungsministeriums ist die Debatte wieder aufgekommen: Soll ein Einsatz der Bundeswehr im Inland möglich sein, etwa bei Terrorgefahr? In der großen Koalition bleibt diese Option umstritten: Während die Union seit Jahrzehnten eher dafür argumentiert, ist die SPD seit jeher im Grunde dagegen, wenn auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels, inzwischen für eine offene Diskussion wirbt, "was genau in welchem Fall am besten funktioniert". Aber wie funktioniert die Verteilung der Aufgaben eigentlich jetzt?

Schon Theodor Fontane betonte in seinem Roman L'Adultera, der Gegensatz von Polizei und Militär beschränke sich nicht auf unterschiedliches Gehabe und Äußerlichkeiten wie unterschiedliche Uniformen. Vielmehr prägen die unterschiedlichen Aufgaben die beiden staatlichen Institutionen. Gemeinsam ist ihnen, wie es Wilhelm von Humboldt beispielhaft formuliert hat, dass sie das staatliche Gewaltmonopol durchsetzen: das Militär nach außen, die Polizei nach innen. Aufgaben der Streitkräfte sind der Schutz der Unabhängigkeit und der territorialen Integrität. Die Aufgaben der Polizei sind in der Formulierung des Preußischen Polizeiverwaltungsgesetzes die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung.

Die unterschiedlichen Aufgaben werden mit unterschiedlichen Mitteln und insbesondere unterschiedlicher Ausrüstung durchgesetzt. Nach dem Kampfauftrag der Streitkräfte sollen und müssen Soldaten im Verteidigungsfall Angreifer töten. Soldatinnen dürfen allerdings nicht im Dienst mit der Waffe verpflichtet werden (Art. 12a Abs. 4 Satz 2 GG). Trotz einschlägiger gesetzlicher Regelung ist bis heute umstritten, ob der sogenannte finale Rettungsschuss, also etwa die Tötung eines Geiselnehmers durch die Polizei, polizeirechtlich erlaubt werden darf.

Keine bewaffnete Bewachung von Bahnhöfen oder Flughäfen

Trotz dieser prinzipiellen Scheidung gibt es zahlreiche und in jüngerer Zeit zunehmende Überschneidungen zwischen Militär und Polizei. Art. 87a Abs. 3, 4 GG erlaubt ausdrücklich den Einsatz der Streitkräfte zur Ausübung polizeilicher Befugnisse im Verteidigungs- und Spannungsfall, sowie den Einsatz der Streitkräfte im Fall des inneren Notstandes, das heißt bei drohender Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes. Art. 87a Abs. 2 verbietet den Einsatz der Streitkräfte im Bundesgebiet ohne ausdrückliche Ermächtigung durch das Grundgesetz. Verboten ist damit ein Einsatz, der Waffengewalt umfasst, etwa bewaffnete Bewachung von Bahnhöfen oder Flughäfen.

Im Einzelfall können sogenannte Unterstützungsmaßnahmen der Streitkräfte zugunsten der Polizei durchaus umstritten sein. So wird die Suche nach Vermissten mithilfe der Wärmekameras eines Eurofighters als zulässig erachtet, der Einsatz zur Suche nach entflohenen Straftätern hingegen ist umstritten. Der Einsatz der Luftwaffe gegen einen Angriff einer internationalen terroristischen Organisation wird auf den Verteidigungsauftrag gestützt, der konkrete Einsatz gegen den Luftangriff eines Einzeltäters ist hingegen problematisch. Als zulässig gilt bloßes Aufsteigen der Luftrotte der Bundeswehr und deren Darstellung im Fernsehen sowie ebenso der bloß unterstützende Einsatz von Soldaten und schwerem Gerät bei Naturkatastrophen, zum Beispiel Hochwasser. In den deutschen Luftraum eindringende Flugzeuge kann und darf die Luftwaffe abdrängen (§ 14 Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz). Hubschrauber der Polizei wären dafür auch nicht geeignet.

Der im jüngsten Weißbuch des Bundesverteidigungsministeriums erörterte Einsatz der Bundeswehr zur Abwehr terroristischer Angriffe im Inland ginge über bloße Unterstützungsmaßnahmen der Polizei hinaus und wäre daher angesichts der engen Grenzen von Art. 87a Abs. 3, 4 GG ohne Änderung des Grundgesetzes nicht erlaubt. Umstritten ist allerdings, ob Art. 87a GG den selbständigen Einsatz der Bundeswehr zuließe gegen Angriffe weltweit operierender Terrorgruppen, die gerade auch auf die Zivilbevölkerung zielen. Der enge Wortlaut des Art. 87a Abs. 3, 4 GG dürfte dem entgegenstehen. Diskutiert wird aber, dass eine spezielle Ermächtigung des Sicherheitsrates der UN oder des Nato-Rates ein völkerrechtliches Mandat der Bundeswehr im Inneren schaffen könnte. Keine verfassungsrechtliche Frage ist, ob nicht statt der Aufgabenerweiterung der Streitkräfte eine verbesserte Ausrüstung der Polizei geboten ist.

Folgen der deutschen Vergangenheit

Die Bundeswehr wird aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Parlamentsheer verstanden, das einem im internationalen Vergleich sehr weitreichenden Parlamentsvorbehalt unterliegt. Eine andere Konsequenz aus der deutschen Geschichte ist die durch den Alliiertenpolizeibrief angeordnete Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten. Die Grenzen dieser Anordnung werden durch das gemeinsame Lagezentrum zur Terrorabwehr in der Praxis ausgetestet. Dem Föderalismus geschuldet ist die Trennung von Bundes- und Landespolizei, wobei Erstere an Aufgaben und Personal zunimmt. Anders als zum Beispiel in den USA gibt es in Deutschland auch keine polizeiliche und militärische Aufgaben wahrnehmende Nationalgarde.

Die deutschen Streitkräfte sind von Anfang an in die Nato eingebunden worden. Auch das ist eine Folge der deutschen Vergangenheit. Im Einzelnen umstritten sind Art und Umfang des Einsatzes der Bundeswehr bei internationalen Einsätzen zum Beispiel Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen von Beistandsleistungen der UN. Wenig Substanz hat bisher, dass Art. 42 – 46 EUV die nationalen Streitkräfte als Teil der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in die gemeinsame Außenpolitik der EU einbinden. Sehr viel weiter fortgeschritten ist die Einbindung der Polizei in den gemeinsamen Raum der Sicherheit, der Freiheit und des Rechts gemäß Art. 67 – 76 AEUV. Die jüngsten Terroranschläge in Paris und Brüssel haben aber verdeutlicht, dass diese gemeinsame Politik noch deutlich zu wünschen übrig lässt.