Mark Spörrle © Vera Tammen

Guten Morgen,

kaum haben viele von Ihnen meine Kollegin Franziska Bulban in ihrer großartigen Vertretungswoche so nett ins Herz geschlossen, haben Sie jetzt hier wieder mit mir zu tun. Und ich kann nicht anders, ich möchte mal wieder über die Elbphilharmonie sprechen. Nicht über die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man bei der Eröffnungskonzert-Lotterie noch an ein Ticket kommt. Auch nicht darüber, ob man wirklich darauf vertrauen sollte, dass die Eröffnungskonzerte am 11. und 12. Januar stattfinden.

Nein, es geht um viel Banaleres: darum, wie man dann zur Elbphilharmonie hinkommt. Das ist offenbar ein Problem, nein, man nennt das anders: Verkehrsstaatsrat Andreas Rieckhof sprach gegenüber dem "Hamburger Abendblatt" von einer "Herausforderung".

Mit dem Auto zum Konzert anzureisen ist zum Beispiel nicht wirklich eine Option. Zwar gibt es in der Tiefgarage 433 Parkplätze. Aber die Straße am Kaiserkai, die zur Elbphilharmonie führt, soll laut "Abendblatt" vor Veranstaltungen gesperrt werden (Anwohnerschutz!). Per Pkw wird die Elbphilharmonie mithin nur über die Mahatma-Gandhi-Brücke erreichbar sein – jene Brücke, die gerade für stolze 12,5 Millionen neu gebaut wurde und deren Klappmechanismus dann rechtzeitig zum Hafengeburtstag versagte.

Alles nicht so schlimm: Heutzutage plant man schließlich so, dass Kulturkathedralen und Tourismus-Magnetpunkte umweltfreundlich und öffentlich zu erreichen sind, dass die U-Bahnen also direkt bis vor die Tür fahren – nein?

Nein. In dem Fall nicht.

Von der U-Bahn-Haltestelle Baumwall sind es bis zur Elbphilharmonie immerhin 400 Meter. Was gar nichts machte – wäre die neue Haltestelle "Überseequartier" der ebenso neuen U4 verblüffenderweise nicht noch weiter weg. Gab es beim Bau dieser U-Bahn so große Zweifel, dass die Elbphilharmonie jemals fertig würde, dass man den Halt "Elphi" lieber nicht einplante?

Dafür fährt Bus 111 aus Altona. Der hält immerhin so nah, dass die Konzertbesucher bei Regen und Sturm nur noch die Mahatma-Gandhi-Brücke überqueren müssen, in der Hoffnung, dass diese nicht unversehens hochklappt.

Dann wäre da die – ebenso schlechtwetterinkompatible – Anreise per Rad. Und die mit dem Taxi. Das hält wenigstens vor der Tür. Nur der Rückweg wird eine "Herausforderung": Vor der Philharmonie dürfen angeblich immer nur drei Taxis auf einmal stehen. Wer keins mehr kriegt darf noch auf das Schiff hoffen; Linie 72 soll alle 20 Minuten in Richtung Landungsbrücken schippern. Aber um an Bord zu kommen, muss man doch wieder unter den Ersten sein (sofern diese Plätze nicht auch verlost werden).

Die Anreise durch die Luft wird vermutlich noch geprüft. Aber es scheint, als hätte die Elbphilharmonie jetzt schon einen neuen Titel abgestaubt: "DPKSEK" – die Philharmonie, die kein Schwein erreichen kann.

"Radfahrer gehören auf die Fahrbahn!"

Die gute Nachricht: Die Zahl der bei Unfällen verstorbenen Radfahrer in Hamburg ist stark zurückgegangen: Von elf Toten im Jahr 2014 auf zwei im Jahr 2015. Nach wie vor ist eine der gefährlichsten Situationen für die Radler, berichtet NDR 90,3, von abbiegenden Autofahrern übersehen zu werden. Die schlechte Nachricht: Es gibt seit Neustem mehr Unfälle mit Radfahrern, beim denen Autofahrer zu schnell gefahren oder zu dicht aufgefahren sind – Probleme also, die entstehen, wenn Biker auf der Fahrbahn unterwegs sind. Ein Dilemma? Wir sprachen mit Dirk Lau, dem stellvertretenden Vorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), über den richtigen Ort für Zweiradfahrer.

Herr Lau, wo soll man denn jetzt fahren?

Radfahrer gehören auf die Fahrbahn! Erstens, weil Räder eindeutig Fahrzeuge sind. Aber auch, weil sie dort von den Autofahrern gesehen werden und die Fußgänger, logisch, auf der Fahrbahn mit schnellen Fahrzeugen rechnen. Da gibt es weniger Konflikte.

Weniger Konflikte? Auf den Straßen ist es total voll, dazu kommen die parkenden Autos ...

... klar, Autofahrer geben nicht gern Platz ab. Dabei nehmen Kfz-Parkplätze an manchen Stellen 30 Prozent des Straßenraums weg, der eigentlich für fließenden Verkehr oder andere Dinge genutzt werden könnte. Auch deshalb müsste die Stadt ja eigentlich mehr Menschen auf dem Fahrrad begrüßen! Wir Radfahrer müssen uns diesen Platz erobern.

Aber wenn es Radwege gibt – muss man die nicht benutzen?

Das hängt von den Schildern ab. Blaue Schilder bedeuten, dass die Polizei eine Benutzungspflicht angeordnet hat. Viele dieser Radwege sind jedoch veraltet und gefährlich. Die muss man oft gegen den Widerstand der Polizei wegklagen. Denn jede Statistik zeigt: Radfahrer sind auf der Fahrbahn sicherer!

Was raten Sie denn Menschen, die sich auf der Fahrbahn trotzdem unwohl fühlen?

Man kann sich ja auch herantasten: Wenn Sie zum Beispiel den neuen Radfahrstreifen auf der Grindelallee nutzen, sehen Sie, wie gut sich auf dieser Straße jetzt Rad fahren lässt. Aber am Ende kommen Sie natürlich bei der Uni Richtung Dammtor raus, da werden Sie dann schon wieder bzw. noch auf den kaputten Radweg auf dem Bürgersteig gezwungen.

Wenn aber jetzt schon die Unfälle auf den Straßen zunehmen: Wie soll man dann die Radfahrer zukünftig schützen?

Eigentlich ist es ganz einfach: Mit Tempo 30 als Basisgeschwindigkeit in der Innenstadt. Das tut dem Verkehrsfluss nichts, man ist als Autofahrer in Hamburg im Schnitt eh nur mit 28 km/h unterwegs. Und Tempo 30 macht die Stadt für alle Nicht-Autofahrer deutlich sicherer. Aber da traut sich der Senat nicht ran.

Geld gegen Grün

Hamburg wächst und braucht deshalb Wohnungen. Hamburger brauchen aber auch eine lebenswerte Stadt mit Grünflächen, und die Natur in der Stadt muss geschützt werden. Um die Lösung dieses Konflikts war in der vergangenen Woche der erste offene Streit der rot-grünen Koalition entbrannt: Als Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) mit dem Bündnis für Wohnen an die Öffentlichkeit trat, fühlte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sich übergangen. Nun ist der Streit beigelegt, und die Beteiligten haben sich auf ein innovatives Konzept geeinigt: den "Natur-Cent". Und der funktioniert wie eine Art Öko-Finanzausgleich: Bei jeder Fläche, die bebaut wird, fließen die zusätzlichen Grundsteuereinnahmen in ein Sondervermögen mit dem Namen "Naturschutz und Landschaftspflege". Es wird also zum Ausgleich Geld beiseitegelegt, das dann wieder in Naturschutzmaßnahmen und Grünanlagen investiert wird. Damit auch die durch Flüchtlingsheime bebauten Flächen einbezogen werden, gilt die Regelung rückwirkend ab Januar 2016. Jens Kerstan sagt: "Wir haben mit dem Natur-Cent ein kluges Konzept entwickelt, das neuen Wohnraum ermöglicht und zugleich Hamburgs grüne Identität erhält und stärkt."

Erwartungsgemäß geht einigen Umweltschützern der Vorstoß nicht weit genug: "Jeder Cent, der über dieses Modell eingenommen wird, basiert auf der unwiderbringlichen Vernichtung von Grün- und Freiflächen", erklärte BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Auch die CDU kritisiert, im Natur-Cent "manifestiert sich das schlechte Gewissen des Senats". Doch es ist immerhin ein neuer Weg, den Hamburg beschreitet. Laut Kerstan gibt es dafür keine Vorbilder, was natürlich auch bedeutet, dass man nicht aus den Fehlern anderer lernen kann. Zum Beispiel besteht die Gefahr, dass Grünflächen in dem einem Bezirk zerstört und die Ausgleichsgelder in anderen Vierteln investiert werden. Senator Kerstan bekundet natürlich hehre Ziele: "Bei der Bebauung und bei der Verwendung des Natur-Cents sollen Belastungen und Vorteile so gerecht wie möglich zwischen Stadtteilen und Bezirken verteilt sein", sagt er. "Ziel ist es, überall in Hamburg ein gutes Angebot an Grünflächen und Parks und eine hohe Lebensqualität zu haben." Wer könnte dazu schon Nein sagen? Und aber: Wer wird das kontrollieren?

So wurde Hamburg wirklich zum Neue-Medien- und IT-Standort

Gestern hat der Onlinespeicherdienst Dropbox seine Niederlassung in Hamburg eröffnet – als erste deutsche Niederlassung des Unternehmens in Deutschland. Nun gibt es hier die Alster, die Elbe, und Franzbrötchen, aber dennoch drängt sich die Frage auf: Warum gerade Hamburg? Berlins Start-up-Szene ist legendär und, viel wichtiger: Dort sitzt die Regierung, dort macht man Lobbyarbeit. Oder? "Die Wahl ist auf Hamburg gefallen, weil es hier eine signifikante IT-Community gibt und ikonische IT-Unternehmen wie Facebook, Google oder Airbnb hier sitzen", sagte der operative Dropbox-Geschäftsführer Oliver Blüher der "Welt". Ah ja. Aber warum sind Google, Facebook und Co. dann hier? Dreimal können Sie raten. Und wir behaupten einfach und ganz ohne Recherche: weil die anderen auch hier sind. Könnte es nicht sein, dass vor mehr als zehn Jahren, als das Büro eröffnet wurde, irgendein Google-Mitarbeiter lieber in Hamburg wohnen wollte? Dass sich der achselzuckende Chef in den USA dachte: "Diese City kennt zwar kein Schwein, aber okay ..."? Und dass dann die anderen einfach nachzogen? Wenn ja, hat dieser Mitarbeiter vielleicht mehr für Hamburg als IT-Standort getan, als es jede Imagekampagne je könnte. Wie gesagt: Ob es so war, wissen wir natürlich nicht. Aber der betreffende Mitarbeiter kann sich gern bei uns melden. Denn Geschichte ist oft eher das Ergebnis vieler kleiner Entscheidungen als eines großen Masterplans.

Drama auf dem Osterbekkanal

Dies ist nichts für schwache Nerven. Schließlich geht es hier um Kindsmord. Der mutmaßliche Mörder: ein bekennender Hamburger, eine "Insignie hanseatischer Eleganz" – ein Höckerschwan! Schon vier Gänsepaare soll er auf dem Osterbekkanal um seine Jungen gebracht haben: Er ertränkt systematisch (!) ihre Küken. Von der "Mopo" wurde er dafür als "Killer" abgestempelt, Spaziergänger, Vogelbeobachter und der Hamburger Graugans-Zähler sind alarmiert, über Zwangsumsiedlung wird offen nachgedacht. Doch Kollege Daniel Haas versucht, die labile Seele des psychopathischen Höckerschwans zu ergründen. Gelang es ihm, mit dem Tier zu sprechen? Wurde der Schwan einst selber durch eine ähnliche Erfahrung traumatisiert? Lesen Sie selbst – ein amüsantes Stück über vermenschlichte Tiere und das Schwanenleben in der aktuellen Ausgabe der ZEIT:Hamburg!

Mittagstisch

Was geht

Diskussion: Mit Klavierbegleitung über Nietzsches Nihilismus mitreden. "Der unheimlichste Gast", Logensaal in den Hamburger Kammerspielen, Hartungstraße 9–11, 19.30 Uhr

Ausstellung: Dem Künstler Nathan Sawaya wurden viele Steine in den Weg gelegt. Gut so! "The Art of the Brick" zeigt über 100 Werke aus Lego. Kulturcompagnie, Shanghaiallee 7, 10 Uhr

Vortrag: Lassen sich Probleme in Südafrika umschiffen? "Hoffnung am Kap der guten Hoffnung", mit Denis Goldberg. W3, Nernstweg 32, 19.30 Uhr

Hamburger Schnack


Meine Stadt

»Das Internet drucken? In Barmbek ist alles möglich«

Zum Abschluss noch ein Schmankerl aus der Kategorie DDD ("dreiste Diebe im Dusel"): Zwei Männer haben ein Gemälde von Udo Lindenberg aus dem Hotel Atlantic geklaut. Sie sollen am Sonnabend durch das Foyer hineinspaziert sein und das dort hängende Bild "Andrea Doria" samt Rahmen auf die Herrentoilette mitgenommen haben. Dort hätten sie das Gemälde aus dem Rahmen gelöst und seien dann mit ihm geflohen. Und das Beste: Davor seien die Männer den Hotelangestellten bereits durch "merkwürdiges Verhalten" aufgefallen. Was noch merkwürdiger sein soll, als in aller Seelenruhe ein Bild samt Bilderrahmen abzuhängen und aufs Klo mitzunehmen, wurde leider nicht ausgeführt.

Das war sie wieder, die Elbvertiefung. Wollen Sie uns Ihre Meinung sagen, wissen Sie etwas, über das wir unbedingt berichten sollten? Schreiben Sie uns:elbvertiefung@zeit.de

 

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag.

Morgen lesen wir uns wieder, wenn Sie mögen!


Ihr

Mark Spörrle

 

PS: Gefällt Ihnen unser Letter, leiten Sie ihn gern weiter. Haben Sie ihn weitergeleitet bekommen, melden Sie sich ganz einfach und unverbindlich an unterwww.zeit.de/elbvertiefung. Dann schicken wir Ihnen die neue Elbvertiefung, solange Sie wollen, immer montags bis freitags ab 6 Uhr.