In der letzten Zeit ist es besonders oft passiert, dass ich von Autofahrern überholt werde, die danach direkt vor mir nach rechts in eine Straße einbiegen. Ich muss dann bremsen, um nicht auf das Fahrzeug aufzufahren. Muss der Autofahrer nicht warten, bis ich die Einfahrt passiert habe, ehe er abbiegen kann?, fragt unsere Leserin Gabriele Buhr-Ackermann, die täglich mit dem Fahrrad im Stadtgebiet von Hannover unterwegs ist.

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist in dieser Frage eindeutig. "Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, (…) Fahrräder auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren", heißt es in Paragraf 9, Absatz 3.

Ein abbiegender Autofahrer muss also den Vorrang des geradeaus fahrenden Radfahrers beachten. "Das gilt zunächst für den Fall, dass beide etwa zur selben Zeit die Abbiegestelle erreichen", erläutert Roland Huhn, Rechtsreferent beim Bundesverband des ADFC, die Rechtslage. "Denn vor dem Abbiegen hat sich der Rechtsabbieger durch den Schulterblick zu vergewissern, dass er keinen nahe aufgerückten Radfahrer gefährdet."

Diese Vorfahrtsregel gilt laut Huhn auch dann, wenn der Autofahrer ihn zuvor überholt hat und etwas früher an der Einmündung ankommt. "Die Pflicht des Durchfahrenlassens schließt nämlich mit ein, dass der Radfahrer von hinten herankommt. Ein Übersehen des kurz zuvor eingeholten Radfahrers ist in dieser Situation eigentlich ausgeschlossen", sagt Huhn. "Wahrscheinlich ist es so, dass der überholende Autofahrer das Fahrradtempo falsch eingeschätzt und nicht einkalkuliert hat, dass er vor dem Abbiegen abbremsen muss."

Der Verkehrsrechtsexperte verweist dazu auch auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Dieses stellte bereits 1989 klar, dass der Fahrer eines Kraftfahrzeugs gegen den genannten StVO-Paragrafen verstößt und eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn er "einen vor ihm fahrenden Radfahrer überholt und anschließend vor ihm nach rechts abbiegt, so dass der Radfahrer stark abbremsen und vom Fahrrad springen muss" (Az.: 5 Ss 88/89 - 38/89 I).

In diesem Fall liegt eine Gefährdung vor. Unzulässig, so Huhn, ist aber bereits das Behindern: Der Rechtsabbieger darf Radfahrer nicht behindern, wenn sie sich vor oder auf gleicher Höhe mit ihm befinden oder nahe aufgerückt sind.