Die konservative Zeitung „Lidove noviny“ aus Tschechien kommentiert das mögliche Scheitern des EU-Türkei-Abkommens über die Rücknahme von Flüchtlingen als „zerbrechlichen Plan B“. Für die liberale slowakische Tageszeitung „Sme“ ist die „Zeigefinger“-Reaktion des Westens auf die Entwicklung in der Türkei „falsch“.
Die internationalen Pressestimmen im Überblick:
„Sme“, Slowakei: Der Westen verhält sich falsch gegenüber der Türkei
„Wie angewidert der Westen auch immer von (Präsident Recep Tayyip) Erdogan und seinem Autoritarismus sein mag, hätten Europa und die USA dennoch sofort nach dem versuchten Militärputsch ihre Repräsentanten in die Türkei schicken sollen, um die Demokratie im Land zu unterstützen.
Dass sie dies nicht taten, sondern stattdessen Erdogan mit erhobenem Zeigefinger drohten, er möge mit seinen Racheaktionen nicht zu weit gehen, war ein schwerer Fehler, der die Mehrheit der Türken erst recht glauben ließ, dass die USA hinter dem Putschversuch stünden und der ganze Westen sich scheinheilig gegenüber ihrer Heimat verhalte. Der Westen begann, seine demokratischen Skrupel gegenüber der Türkei gerade zur falschen Zeit zu entwickeln – vor allem, wenn es nun so aussieht, als sei Erdogan im Recht gewesen.“
„Nepszava“, Ungarn: Geld besänftigt Ankara
„Die griechische Forderung an die EU, einen Plan B zu entwickeln, scheint berechtigt. Denn Ankara ist ein unzuverlässiger Partner, der jederzeit die Entscheidung treffen kann, die EU mit Flüchtlingen zu überschwemmen. Gewiss, doch wie soll dieser Plan B aussehen? Das hat bis jetzt niemand herausgefunden, weder in Brüssel noch in irgendeiner anderen europäischen Hauptstadt.
Doch Angela Merkel darf hoffen. Für Erdogan zählt nichts mehr als das Geld. Deswegen haben sich das türkisch-russische und das türkisch-israelische Verhältnis in Windeseile zum Besseren gewendet. Wenn die EU tatsächlich die versprochenen drei Milliarden Euro an Ankara überweist, dann gelingt es vielleicht – zumindest für eine Zeit lang – den Zorn des türkischen Präsidenten zu besänftigen.“
„Lidove noviny“, Tschechien: Griechenland muss Grenzen kontrollieren
„Die griechische Regierung appelliert an die EU, sich auf die Öffnung der Grenzen durch die Türkei vorzubereiten. Man brauche einen Plan B, fordert Athen. Doch der jetzige Zustand ist bereits der Plan B, nämlich das zerbrechliche Abkommen der EU mit der Türkei. Der Plan A war immer die Bewachung der Schengen-Außengrenzen. Und das ist die Aufgabe Griechenlands – wenn es das nicht kann, dann mit der solidarischen Hilfe der übrigen EU-Staaten.
Das ist die Lösung, wenn das Abkommen mit der Türkei nicht greift. Ankara verhält sich in den Augen der EU-Staaten schlicht wie ein Erpresser, der möglichst viel Kapital aus seinen Drohungen schlagen will. Doch man wird das Gefühl nicht los, dass sich Ankara genauso verhält, wie es von Anfang zu erwarten war.“
„Die Presse“, Österreich: Flüchtlingsdeal mit Türkei könnte platzen
„In dieser verfahrenen Situation könnte das Türkei/EU-Flüchtlingsabkommen jederzeit platzen. Sollten sich als Folge davon – im schlimmsten anzunehmenden Szenario – erneut Zigtausende Flüchtlinge von der Türkei aus in Richtung Europäischer Union in Bewegung setzen, so hätte das vor allem für einen EU-Staat dramatische Auswirkungen: für Griechenland ... Die Mitglieder der Europäischen Union täten gut daran, sich Maßnahmen für diesen Fall zu überlegen.
Den EU-Partner Griechenland einfach alleinzulassen, ist nämlich keine Option – zumindest nicht für eine Staatengemeinschaft, die sich selbst nach wie vor als politische Union versteht. Wenn man hochtrabend etwa laut über eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik nachdenkt, sollte es doch gelingen, zumindest eine Herausforderung wie die Flüchtlingsfrage gemeinsam zu meistern. Leider sieht es derzeit aber weiterhin nicht danach aus.“