Die katholische und die evangelische Kirche verlieren in Deutschland weiter an Mitgliedern. Wie die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mitteilte, gehörten ihr Ende 2016 insgesamt rund 22 Millionen Menschen und damit knapp 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr an. Bei den Katholiken verließen im vergangenen Jahr 162.093 ihre Kirche, teilte die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) mit. Damit bleibe die Zahl der Austritte auf einem hohen Niveau – wenngleich es 19.832 weniger gab als noch im Jahr 2015. Der bisherige Negativrekord wurde im Jahr 2014 erreicht, damals traten 217.716 Menschen aus der katholischen Kirche aus. 

Beiden Kirchen macht vor allem der demografische Wandel zu schaffen. Die EKD teilte mit, rund 340.000 Mitglieder der evangelischen Kirche seien 2016 gestorben. Hinzu kamen außerdem rund 190.000 Kirchenaustritte. Im Gegensatz hierzu gab es nur 25.000 Kircheneintritte und 180.000 Taufen.

Ähnlich sieht es bei den Katholiken aus: Die DBK rechnet vor, dass es im vergangenen Jahr 2.574 Neuaufnahmen gab, was etwas mehr war als im Vorjahr. Die Zahl der Wiederaufnahmen sei mit 6.461 weitgehend stabil geblieben im Vergleich zu 2015. Die Zahl der Taufen sei dagegen leicht gestiegen – um rund 2,5 Prozent von 167.226 auf 171.531. Leicht zurückgegangen sei der Gottesdienstbesuch – von 10,4 Prozent im Jahr 2015 auf 10,2 Prozent: 2,4 Millionen Katholiken besuchten im Schnitt am Wochenende einen Gottesdienst. Die Bischofskonferenz verzeichnete auch einen leichten Rückgang bei kirchlichen Trauungen (43.610 im Jahr 2016, 44.298 im Vorjahr).

Bundesweit hatte die katholische Kirche damit im vergangenen Jahr rund 23,6 Millionen Mitglieder, was 28,5 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland entspricht. Die Zahl der Protestanten ging von 2015 auf 2016 um knapp 350.000 zurück und lag bei rund 21,9 Millionen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sank damit von 27,2, auf 26,5 Prozent.

Damit gehören 55 Prozent der Deutschen einer der beiden großen Kirchen an. Inklusive der orthodoxen Kirche und anderer kleinerer Kirchen und Gemeinschaften liegt der Anteil der Christen an der Bevölkerung bei 58,3 Prozent.

Weitergabe des Glaubens gelingt nicht überall

Der Sekretär der Deutschen Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, sagte: "Wir freuen uns, dass fast ein Drittel der Bevölkerung unseres Landes zur katholischen Kirche gehört." Die Zahl der Austritte wertete er als "Form der Distanzierung". Sie zeige, "dass die Weitergabe des kirchlichen Glaubens nicht vollständig gelungen ist". Es sei nötig, die Beweggründe zu verstehen und das Handeln der Kirche "danach kritisch zu überprüfen, um es da – wo notwendig – auch neu auszurichten".

Bei den Kirchensteuereinnahmen haben die beiden großen Kirchen ein neues Rekordhoch zu verzeichnen: Trotz sinkender Mitgliederzahlen erreichten sie 2016 knapp 11,6 Milliarden Euro. Davon erhielt die katholische Kirche 6,146 Milliarden und die evangelische 5,454 Milliarden. Im Vergleich zu den 11,461 Milliarden Euro 2015 ist das insgesamt ein leichter Anstieg um rund 1,2 Prozent.

In einem Interview hatte der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller die Situation der Kirche in seinem Heimatland als "dramatisch" bezeichnet. Die Beteiligung am kirchlichen Leben, die Glaubensweitergabe und der Nachwuchs an Priestern und Ordensleuten seien stark zurückgegangen, beklagte er in einem Interview der italienischen Tageszeitung Il Foglio. Das Problem betreffe nicht nur Deutschland; ganz Europa erlebe einen "Prozess forcierter Entchristlichung, der über die einfache Säkularisierung weit hinausgeht".