"Das Zweckentfremdungsverbot im Bezirk umsetzen!", so lautet derzeit ein Aufruf, der in Berlin per Postkarte an die Bewohner verteilt wird. Auf der Rückseite findet sich reichlich Platz für genaue "Hinweise aus der Bevölkerung": Die Adresse des Objekts, die genaue Lage, der Eigentümer, die Hausverwaltung und eine Begründung sollen angegeben werden. Nur optional muss der "Beschwerdeführer" auch seine eigenen Daten angeben.

Verteilt werden die Postkarten von der SPD-Fraktion des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg. An die sollen die Bürger ihre Anzeigenpostkarte dann auch senden. Die SPD will sie dann selbst an die Bezirksämter weiterleiten. Das Porto für die bürgerlichen Hilfssheriffs entfällt, "Entgeld zahlt Empfänger".

100.000 Euro Bußgeld drohen

Hintergrund der ungewöhnlichen Aktion ist das ab 1. Mai in ganz Berlin endgültig greifende Zweckentfremdungsverbot. Von diesem Tag an dürfen Gastgeber ohne Ausnahmegenehmigung im Prinzip keine kompletten Wohnungen mehr als Ferienunterkunft anbieten. Betroffen davon sind insbesondere Tausende Angebote auf Portalen wie Airbnb, Wimdu oder 9 Flats. Mit dem Gesetz will die Berliner Regierung kommerziellen Anbietern von Ferienwohnungen das Geschäft entziehen. Sie erhofft sich davon, das Wohnungsangebot zu ortsüblichen Mieten zu stärken. Wer dagegen das Verbot verstößt, muss mit einem Bußgeld von bis zu 100.000 Euro rechnen.

Die Wohnungsnot ist groß, die Not beim Anwenden des Gesetzes aber auch. Immerhin werden sich in Berlin ab Ende Mai knapp 70 Verwaltungsmitarbeiter mit zweckentfremdeten Wohnungen beschäftigen. Doch ohne Mithilfe der Bürger geht es offenbar nicht. Die Zahl illegaler Ferienwohnungen liegt bei über 10.000. Darum werden nicht nur Guerilla-Postkarten wie jene in Friedrichshain-Kreuzberg gedruckt. Die Stadt hat auch ein Onlineanzeigeformular geschaltet. Hier können Bürger ebenfalls ganz anonym Wohnungen anzeigen, die ihrem Eindruck nach unzulässig leer stehen oder als Ferienwohnung vermietet werden. Auch der Berliner Mietverein ruft zur Kontrolle auf und bietet ein Musterformular zum Download an. Inzwischen sind bei den Bezirksämtern etwa 2.800 Hinweise von Bürgern zu möglichen Verstößen eingegangen. Mehr als 1.000 Wohnungen sollen bereits jetzt wieder auf dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen.

Tausende Wohnungen könnten über Nacht entstehen

Ab 1. Mai werden es per Gesetz schlagartig mehr werden. Dann geht die gewährte zweijährige Übergangszeit zu Ende. Allein auf dem Vermittlungsportal Airbnb werden bis heute praktisch illegal noch immer Tausende Komplettwohnungen angeboten. Das hat Airbnb zuletzt selbst kenntlich gemacht. In einer E-Mail teilte der sogenannte Head of Public Policy bei Airbnb, Tim Klaws, dem Berliner Staatssekretär für Bauen und Wohnen, Engelbert Lütke Daldrup, mit, dass insgesamt 20.200 Angebote zwischen dem 1.1.2015 und 1.1.2016 für Berlin geschaltet waren. Bei 65 Prozent habe es sich um komplette Wohnungen gehandelt. Nur 34 Prozent waren demnach einzelne Zimmer, nur bei einem Prozent handelte es sich um gemeinsam genutzte Wohnräume, worunter beispielsweise Schlafcouches zählen würden.

"Damit gesteht Airbnb ein, dass über 60 Prozent der Angebote auf seiner Plattform ab 1. Mai illegal sind", sagt Lütke Daldrup ZEIT ONLINE. Mit dem Ablauf der Übergangszeit werde sich nun zeigen, ob Airbnb sich an deutsche Gesetze halte. "Airnbnb und andere Plattformbetreiber sind verpflichtet, explizite Daten über die Anbieter von Wohnungen an die Bezirksämter weiterzugeben", sagt Lütke Daldrup.