Jeder, der feiern geht, weiß es. Wer Pillen schmeißen, koksen oder härtere Sachen nehmen will, kann das in einigen Berliner Clubs fast unbehelligt tun. Gleichzeitig halten Politiker an einer Drogenpolitik fest, die das ausblendet. Wer Straftaten begeht, wird bestraft, so der Tenor.

Die Realität sieht anders aus, wie Juliane Goetzke und Theodor Schaarschmidt – Autoren des Magazins Tonic – erfahren haben. Sie sind durch Berliner Clubs gezogen, haben mit Feiernden, Türstehern und Dealern gesprochen. Aus ihren Recherchen haben sie eine fiktive Clubnacht rekonstruiert, wie man sie jedes Wochenende erleben kann.

"Du hast da nix drin, was da nicht drin sein soll, oder?", fragt mich die Türsteherin grinsend und klopft halbherzig gegen meinen Beutel. Eine Stunde standen wir in der Schlange, haben den dumpfen Bass von drinnen gehört. Endlich: Stempel und ab auf die Tanzfläche. Es ist Samstagabend, das Speed vom Vortag steckt noch in meinem Geldbeutel. "Natürlich nicht!", antworte ich. "Alles klar, schöne Nacht!", entgegnet die Türsteherin und winkt mich durch. Schon sind die Drogen drin.

Geduldet, solange es geheim abläuft

"Wenn ich bei einem Gast kleinere Mengen entdecke, sage ich: 'So lasse ich dich nicht rein, komm später wieder.' Soll heißen: Geh noch mal raus und versteck dein Zeug gefälligst besser", erzählt Malte*, der seit drei Jahren als Türsteher in einem Berliner Club arbeitet.

Ungeschriebene Gesetzte? Die gelten auch drinnen. Meist wird es geduldet, wenn Leute etwas nehmen, solange es geheim abläuft. Wer sich für alle sichtbar auf dem Tresen eine Line Speed zurechtlegt, wird vor die Tür gesetzt. In den Toilettenkabinen wird dasselbe Verhalten meist toleriert. "Wenn ich als Türsteher direkt mitkriege, dass jemand Drogen nimmt, macht derjenige was falsch", sagt Malte. Etwa fünfmal am Abend schmeiße er Leute wegen Regelverstößen raus. Das heißt allerdings nicht, dass die nächstes Mal nicht wiederkommen dürfen.

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Werden Gäste beim Dealen erwischt, reagieren die Türsteher empfindlicher. "Wenn wir etwas finden, gibt es Hausverbot. Wir rufen aber nicht die Bullen." Meist seien die Leibesvisitationen ohnehin erfolglos: "Nur ein Anfänger würde mit ganz viel Zeug am Körper in den Club gehen und Leute direkt anquatschen."

Wir suchen was Schnelles und was zum Kuscheln.

"Ich würde gern ein bisschen Geschwindigkeit aufnehmen", sagt meine Freundin. Die anderen wissen Bescheid und nicken. Unseren mitgebrachten Stoff haben wir seit ein paar Stunden intus, die Wirkung lässt nach. Wir brauchen Nachschub. Draußen entdecken wir drei Leute, die auf Matratzen in einem alten Lkw lümmeln. "Suchst du was?", fragt einer davon: lange Haare, Sonnenbrille, schwarzes T-Shirt. Uns steht der Sinn nach mehr Speed und einer Prise MDMA.

Ich senke meine Stimme: "Wir suchen was Schnelles und was zum Kuscheln." – "Kuscheln is' heute bei mir nicht, wie viel Schnelles wollt ihr?" Ich setze mich neben ihn und frage: "Ist das gutes Zeug? Nimmst du das auch selbst?" – "Klar, das knallt super!", entgegnet er und legt kurz seine Hand auf meine. Danach halte ich darin ein kleines Tütchen mit weißem Pulver. Ich schüttle es ein wenig. Im Flackerlicht kann ich kaum etwas sehen. "Für zehn nehmen wir's", sage ich. Es kommt mir für ein Gramm zu leicht vor, aber ich habe keine Lust, rumzudiskutieren. Ich schiebe ihm den Schein in die Hand. Er ist schon mit einem Kumpel beschäftigt, der sich gerade eine Bahn zurechtlegt. "Alter, zum Koksen gehst du bitte aufs Klo!", ermahnt er ihn.

Wir gehen wieder rein und stellen uns an der Toilette an. Als wir uns zu fünft in eine Kabine quetschen, nickt uns jemand vom Personal, der gerade den Boden fegt, zu. Ist klar, was wir hier machen. Ist ihm aber auch egal. Mit Zeichensprache verständigen wir uns, Karte her, Röllchen drehen. "Psst!" macht meine Freundin, als wir anfangen, über den Stoff zu quatschen – man weiß ja nie, wer was mitbekommt.

Hausdealer gehören fast zum Clubteam

Professionelle Clubdealer arbeiten angeblich so unauffällig, dass es selbst der Belegschaft verborgen bleibt. Türsteher Malte geht davon aus, dass es in seinem Club einen festen Dealer gibt. "Wer das ist, weiß ich nicht genau. Ich würde es sicher rausbekommen, aber welchen Mehrwert hätte das für meine Arbeit?" Er will es also auch nicht wirklich wissen.

In anderen Clubs gehören die Hausdealer schon fast zum Team. "Mit dem Dealen habe ich eher aus Langeweile angefangen", erzählt Oscar*, der seit fast einem Jahr jedes Wochenende Nachtschichten einlegt. "Wenn du im Club rumhängst, wirst du ja oft angesprochen, ob du was dabei hast. Das hat sich dann so ergeben."

Oscar hat sich auf Ecstasy spezialisiert. Etwa 40 bis 60 Teile verkauft er pro Abend, zehn Euro das Stück, für Freunde auch mal etwas weniger. "Der Betreiber weiß, was ich tue. Es gab nie ein ausdrückliches Okay von ihm, aber eine Art stillschweigendes Einverständnis." Einmal habe der sich sogar selbst ein Tütchen MDMA von ihm geholt. Als Dankeschön gab es dann Freikarten. "Wenn mein Lieblingstürsteher Schicht hat, gehe ich mit einem High five am Einlass vorbei." Ohne Taschenkontrolle, versteht sich.

Oscar ist überzeugt, dass sich maßvolles Dealen auch für die Clubs lohnt: "Die profitieren davon, wenn es einen etablierten Hausticker gibt. Die Leute müssen ja in Bewegung bleiben und sich Getränke kaufen." Und es diene sogar der Qualitätssicherung. Stammdealer bekommen schneller als die Belegschaft mit, wenn jemand mit verunreinigten Drogen handelt. Häufig klären die Dealer das Problem gleich untereinander oder verständigen die Tür. Für seinen eigenen Stoff gibt Oscar ein Versprechen ab: "Ich teste eigentlich alles, bevor ich eine große Menge einkaufe. Wenn das Zeug nicht so doll scheppert, verkaufe ich es trotzdem, das ist ja nichts Schädliches. Aber Müll verticke ich prinzipiell nicht. Wenn die Teile mal stärker sind als üblich, rate ich den Gästen, erst einmal eine halbe Pille zu nehmen."