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Deutschland Flüchtlingskrise

Muslimrat fürchtet Organentnahme bei vermissten Kindern

Politik-Redakteurin
In Deutschland verschwinden tausende Flüchtlingskinder

Seit Jahresbeginn wurden in Deutschland 5000 Flüchtlingskinder als vermisst gemeldet. Zwar tauchen viele nach kurzer Zeit wieder auf, trotzdem wird vermutet, dass viele Kriminellen zum Opfer fallen.

Quelle: Die Welt

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Der Chef des Zentralrats der Muslime verlangt einen „Aufschrei“ angesichts von fast 5000 Flüchtlingen, über deren Verbleib nichts bekannt ist. Auch der Missbrauchsbeauftragte erhebt schwere Vorwürfe.

4718 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in Deutschland einfach verschwunden, darunter 431 unter 14 Jahren. Diese Zahl hatte das Bundeskriminalamt vergangene Woche bekannt gegeben – und hinterhergeschickt, dass es trotz bislang fehlender Erkenntnisse nicht auszuschließen sei, dass ein Teil dieser vermissten Kinder Kriminellen in die Hände gefallen sein könnte. So wie der vierjährige Flüchtlingsjunge Mohamed, der in Berlin entführt, missbraucht und getötet wurde.

Aiman Mazyek, 47, ist seit 2010 Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
Aiman Mazyek, 47, ist seit 2010 Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland
Quelle: dpa

Ein Fall, der den Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, so aufgewühlt hat, dass er jetzt sogar davor warnt, Organhändler könnten sich an den verschwundenen Kindern vergriffen haben. „Ich will nicht den Teufel an die Wand malen, aber wir müssen davon ausgehen, dass viele dieser Kinder und Jugendlichen in kriminelle Kreise geraten sind, dass sie zur Prostitution gezwungen werden oder ihnen Organe entnommen wurden“, sagte Mazyek bei einer Pressekonferenz mit dem Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig. Wenn auch nur zehn Prozent der vermissten Kinder entführt worden seien, wäre das eine erschreckend hohe Zahl. „Ich vermisse den Aufschrei“, sagte Mazyek weiter, „das Schweigen angesichts dieser vielen Verschwundenen ist schon sehr laut zu vernehmen.“

Johannes-Wilhelm Rörig, der die Bundesregierung als Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs berät, wollte zur Frage des Verbleibs der Vermissten keine Spekulationen anstellen, erhob aber im Zuge der Verhandlungen über das Asylpaket II schwere Vorwürfe gegen die Bundesregierung.

EU schreibt blauen Brief an die Regierung

Aus dem Paket seien die in der 2013 beschlossenen EU-Aufnahmerichtlinie festgelegten Mindeststandards zur Verhinderung sexueller Übergriffe und Belästigungen in Flüchtlingsunterkünften wieder herausgestrichen worden, kritisierte Rörig. Die EU habe die Bundesregierung erst am Mittwoch in einem blauen Brief ultimativ aufgefordert, die Richtlinie umzusetzen. Dabei handelt es sich in erster Linie um räumliche Standards wie die separate Unterbringung von Frauen und Kindern und separate Dusch- und Toilettenräume, um Übergriffe gegen Kinder und auch Frauen zu verhindern.

Zudem kritisierte Rörig, das im Asylpaket II vorgesehene erweiterte Führungszeugnis für Mitarbeiter in Flüchtlingsheimen sei bei Weitem nicht ausreichend, um Übergriffe und sexuellen Missbrauch zu verhindern. Es könne lediglich ein Baustein in einem Gesamtpaket von Mindeststandards sein, das er bereits seit dem letzten Sommer fordere, sagte Rörig. Ersttäter und bislang unentdeckte Täter würden so nicht überführt.

Er habe hohen Respekt vor der Leistung der vielen Flüchtlingshelfer, sagte Rörig. „Aber ich muss auch warnen. Viele vermeintliche Helfer und Wachleute haben viel zu leichten Zugang zu den Kindern und können so eine Nähe herstellen, die ausgenutzt werden kann.“

Der Missbrauch ist nach wie vor das Grundrisiko einer Kindheit
Johannes-Wilhelm Rörig, Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung

Eine konkrete Zahl von Missbrauchsfällen ließe sich nicht benennen, aber immer wieder erreichten ihn Mitteilungen über Wachleute, sie sich an jungen Mädchen vergriffen, Helfer, die im Deutschkurs zudringlich werden oder Bewohner aus den Heimen selbst, die übergriffig gegen Kinder werden.

„Die Flüchtlingskrise ist auch eine Flüchtlingskinderkrise“, sagte Rörig. Tausende lebten hier unter dramatischen Umständen in Heimen und Erstaufnahmeeinrichtungen. „Sie haben oft Schreckliches erlebt und sind besonders bedürftig und verletzlich.“

Auch die Opposition forderte, den Schutz für Flüchtlingskinder zu verbessern. Die familienpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Franziska Brantner, begrüßte es ausdrücklich, dass die EU-Kommission jetzt das Verfahren gegen Deutschland wegen des Verstoßes gegen EU-Asylgesetze vorantreibe. „Das wird die Regierung hoffentlich dazu bringen, endlich die Rechte von Frauen und Kindern auch hier vor Ort in den Flüchtlingsunterkünften umzusetzen“, sagte Brantner der „Welt“.

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Im Familienministerium verweist man darauf, dass in Zusammenarbeit mit Unicef bereits an weiteren Schutzkonzepten gearbeitet werde. Dafür gebe es auch Förderdarlehen der KfW-Bank. Der Staatssekretär im Familienministerium, Ralf Kleindiek, nannte die Verankerung des erweiterten Führungszeugnisses im Gesetz einen „notwendigen und wichtigen Schritt“.

„Den Menschen geht es darum, ihr Leben zu retten“

Reporter Steffen Schwarzkopf war an der türkisch-syrischen Grenze. Zehntausende Flüchtlinge hoffen dort auf Rettung. Ihnen ginge es nicht darum, nach Europa zu kommen, sondern sich in Sicherheit zu bringen.

Quelle: Die Welt

Als erste muslimische Organisation konnte Rörig den Zentralrat der Muslime für ein verstärktes Engagement gegen Kindesmissbrauch gewinnen. Er werde in den kommenden Wochen eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnen, sagte Mazyek.

Ziel der Vereinbarungen ist es, die Empfehlungen des von der Bundesregierung eingesetzten Runden Tisches gegen Kindesmissbrauch umzusetzen. Die konkreten Maßnahmen wie Schutzkonzepte sollen dann die Einrichtungen und Verbände selbst entwickeln und anwenden. Bis Ende März sollen mehr als 20 Organisationen und Institutionen diese Vereinbarung unterzeichnen.

In einem ersten Schritt präsentierten Rörig und Mazyek eine Broschüre mit Informationen zum sexuellen Kindesmissbrauch, die in Deutsch, Türkisch und Arabisch herausgegeben wird und in muslimischen Einrichtungen und Gemeinden ausgelegt werden soll.

Statistisch seien zehn Prozent aller Kinder von sexueller Gewalt betroffen, sagte Rörig. „Der Missbrauch ist nach wie vor das Grundrisiko einer Kindheit.“

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