"Sie werden sich wundern, was alles gehen wird." Es ist ein Satz, der gewaltig nachhallt in diesen Tagen in Österreich. Norbert Hofer hat ihn gesagt, im letzten TV-Duell vor der denkwürdigen Wahl am Sonntag. Nun ist der Rechtspopulist nur noch einen kleinen Schritt von der Hofburg entfernt, und nicht nur Österreich fragt sich: Was hat Hofer damit gemeint? Welche Macht hat der Präsident der Republik Österreich?

Im Wahlkampf redete Hofer – genau wie sein Kontrahent Alexander van der Bellen von den Grünen – so, als sei Österreich eine Präsidialdemokratie. Wenn die Regierung ihren Asylkurs nicht ändere, sagte Hofer, würde er sie ins Gebet nehmen – und notfalls eben entlassen. Als Präsident wolle er den TTIP-Vertrag nicht unterschreiben, selbst wenn das Parlament zustimmen sollte. Und auf EU-Ebene will Hofer eine Art Paralleldiplomatie aufbauen und den Regierungschef nach Brüssel begleiten, um eigene Gespräche zu führen. Der noch amtierende Präsident Heinz Fischer tadelte Hofer und van der Bellen öffentlich für ihre "Allmachtsfantasien". Was er nicht sagte: Die österreichische Verfassung würde all das erlauben. In ihr schlummert ein gewaltiges autoritäres Potenzial.

Das Telefon von Manfried Welan klingelt zurzeit recht häufig. Der emeritierte Professor hat ein Standardwerk zur Rolle des Bundespräsidenten in Österreich verfasst, 1992 war das. Nie war das Interesse an dem Thema so groß wie heute. "Und ich muss feststellen, dass den meisten der Wortlaut der Verfassung nicht bewusst ist." Was die Österreicher kennen, ist die "Realverfassung", die Art, wie die Bundespräsidenten seit dem 2. Weltkrieg ihre Rolle interpretieren: Sie dienen der Republik wie treue Beamte. Sie verleihen Orden, lassen sich beim Opernball blicken und halten die Neujahrsansprache.

Der Geist von Weimar

Als solch eine Art "Ersatzkaiser" legten die Verfassungsväter 1920 die Rolle des Bundespräsidenten an. "Was die Österreicher aber nicht wissen: Seit 1929 haben wir die Weimarer Verfassung." In einer Verfassungsnovelle erweiterten sich die Befugnisse des Bundespräsidenten erheblich: Er übt den Oberbefehl über das Bundesheer aus, darf den Kanzler frei ernennen und entlassen und sogar vier Wochen lang per Notverordnungen regieren. Hindenburg lässt grüßen.

In Deutschland zogen die Autoren des Grundgesetzes die Lehren aus der Machtübernahme Hitlers und begrenzten die Macht des Präsidenten. Österreich übernahm nach dem 2. Weltkrieg im Wesentlichen die alte Verfassung. Dass die Bundespräsidenten seitdem eine untergeordnete Rolle spielen, hat ihren Grund laut Manfried Welan in einem bewussten "Rollenverzicht" der Amtsinhaber.