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NRW-Ministerpräsident AfD wählt CDU-Mann? Probeabstimmung geht deutlich für Laschet aus

Marcus Pretzell (l.) und viele seiner AfD-Abgeordneten wollen nach stern-Informationen für Armin Laschet (CDU) stimmen
Marcus Pretzell (l.) und viele seiner AfD-Abgeordneten wollen nach stern-Informationen für Armin Laschet (CDU) stimmen
© Bernd Thissen, Rolf Vennenbern/DPA
CDU und FDP haben im Landtag von Nordrhein-Westfalen nur eine Mini-Mehrheit von einer Stimme. Nach stern-Informationen hat sich aber ausgerechnet die AfD-Fraktion deutlich für die Wahl Armin Laschets ausgesprochen.

Marcus Pretzell gab sich trotzig. Gerade hatte sein Frau und Parteichefin Frauke Petry beim Bundesparteitag der AfD in Köln Mitte April die ultimative Demütigung erhalten. Ihren Antrag, zwischen einer "realpolitischen" und einer "fundamentaloppositionellen" Strategie zu entscheiden, hatten die Delegierten nicht einmal für die Tagesordnung zugelassen. Doch Pretzell, Landeschef der Partei in Nordrhein-Westfalen, sagte nun, er werde den realpolitischen Weg dennoch gehen.

Was das konkret bedeutet, könnte die AfD an diesem Dienstag zeigen. Dann tritt in Düsseldorf der CDU-Politiker Armin Laschet an, um sich vom Landtag zum neuen Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Seine und die FDP-Fraktion verfügen zusammen über die knappe Mehrheit von einer Stimme.

Nach stern-Informationen hat eine große Mehrheit der 16-köpfigen AfD-Fraktion erwogen, bei der Wahl für den CDU-Mann Laschet zu stimmen. Bei einer Probeabstimmung vergangenen Dienstag entschieden 14 von 16 AfD-Abgeordneten, Laschet zu wählen.

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Gauland und Weidel wären düpiert

Das Ergebnis überrascht, denn eine Wahl Laschets stände in starkem Widerspruch zum Wahlkampf der NRW-AfD. Die Partei hatte sich dort den Wählern gegenüber eindeutig als Opposition gegeben. Vor allem aber würde die Wahl des Merkel-Vertrauten Laschet im größten Bundesland die Spitzenkandidaten der AfD für die Bundestagswahl düpieren. Alexander Gauland und Alice Weidel treten ausdrücklich als Opposition an. Die Wahl eines CDU-Mannes, der Angela Merkel stets gestützt hat, würde dem AfD-Kurs im Bund die Glaubwürdigkeit nehmen.

Alexander Gauland rief deshalb bereits vergangene Woche bei Marcus Pretzell an. Er hatte auf Umwegen von Pretzells Plan erfahren. Pretzell, sagte Gauland dem stern, habe ihm gesagt, die Fraktion werde Laschet nicht wählen.

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Die Idee: raus aus der Blockadeecke

Einer der Pretzell-Abgeordneten bestätigte dem stern den Hintergrund des ungewöhnlichen Vorgangs. Bei der Probeabstimmung sei vielen wichtig gewesen, dass die AfD-Fraktion ihre Arbeit auch politisch-taktisch anlege. Eine Unterstützung Laschets habe als Signal dafür gewertet, dass die AfD in Düsseldorf nicht in der Schmuddel- und Blockadeecke verharren wolle. Vorgetragen hatte den Plan zuerst der AfD-Fraktionsgeschäftsführer Andreas Keith, ein enger Vertrauter Pretzells. Keith und auch Pretzells Fraktionspressesprecher waren für den stern nicht zu erreichen.

Am Dienstagmorgen um neun Uhr tagt in Düsseldorf der Fraktionsvorstand und anschließend die komplette Gruppe der 16 AfD-Abgeordneten. Gegen Mittag soll es eine Pressekonferenz geben. Ob dann die Wahl Laschets verkündet wird, ist im Moment noch unklar. "Man kann seine Meinung ja auch wieder ändern", sagte ein Abgeordneter dem stern. Er war sichtlich darum bemüht, die Probeabstimmung mit dem klaren Laschet-Votum herunterzuspielen.

"Das Land ist im Arsch"

Marcus Pretzell selbst, der sein Landtagsmandat errungen hat und im Moment zusätzlich auch noch Bezüge als Europaabgeordneter erhält, scheint es unterdessen nicht mehr um einzelne Prozente bei der Bundestagswahl zu gehen. "Das Land ist im Arsch, völlig Wurscht, ob wir 4 oder 14 Prozent bekommen", schrieb er kürzlich in einer geschlossenen Facebook-Gruppe und erklärte einen Einzug der AfD in den Bundestag mit einem realistischen Stimmenanteil für wirkungslos: "Wir brauchen 30+. Alles andere ist für die Galerie, das hilft einzelnen Mandatsträgern. Für das Land ändert das nichts."

Es sind solche Sätze, die Pretzell auch in seinem eigenen Landesverband zunehmend isolieren. Mancher Vertraute ist inzwischen von ihm abgerückt. Einer seiner Gegner, der AfD-Bundestagskandidat Thomas Matzke, sagte dem stern, er halte derlei Äußerungen schlicht für "parteischädigend. Es geht doch wohl um jedes Prozent. Und die 30 Prozent, die Herr Pretzell gern hätte, wird er mit seiner so genannten Realpolitik niemals erreichen."

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