Was ist ein Rentner wert im heutigen Wirtschaftssystem? Nicht viel.

Der japanische Finanzminister Taro Aso spricht das aus, was wohl viele Politiker insgeheim denken: "Bei Klassentreffen sehe ich Leute im Alter von 67 oder 68 Jahren, die herumtapern und ständig zum Arzt gehen. Warum soll ich für Leute bezahlen, die nur essen und trinken und keine Leistung erbringen? Ich könnte nicht ruhig schlafen bei dem Gedanken, dass die ganzen Pflegeleistungen von der Regierung bezahlt werden." Anschließend empfahl Taro Aso den älteren Japanern, über den Freitod nachzudenken und "schnellstmöglich zu sterben".

Im Zeitalter des Neoliberalismus taugen die Menschen lediglich zum Malochen, sie sollen den Profit der Wirtschaft mehren. Nach getaner Arbeit sind die Rentnerinnen und Rentner vielleicht noch als Konsumentengruppe interessant, ansonsten aber sind sie ein überflüssiger Kostenpunkt. Einziger Haken an der Sache: In "Rentnerdemokratien" sind es die Senioren, die über das Wohl und Ach der Parteien entscheiden. Darum vollführen die Regierungen der alternden Industriestaaten einen Eiertanz: Einerseits müssen sie den Rentnern Brot und Spiele bieten, andererseits missgönnen sie ihnen jeden einzelnen Cent.

Dieser Eiertanz führt zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Eine aktuelle OECD-Studie zeigt, wie unterschiedlich die Renten in den Industrienationen ausfallen: Die sogenannte Ersatzquote gibt Auskunft darüber, wie viel Prozent ihres Durchschnittslohns die Beschäftigten später als Rentner bekommen, wenn sie regulär in die Staatskasse eingezahlt haben. In den Niederlanden beispielsweise bekommen Geringverdiener 101 Prozent und Durchschnittsverdiener 95 Prozent ihres früheren Einkommens als Rente. In Österreich erhalten Geringverdiener 93 Prozent und Durchschnittsverdiener 63 Prozent. Und in Deutschland? Hier bekommen Geringverdiener 53 Prozent und Durchschnittsverdiener 50 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik deutlich hinter dem OECD-Durchschnitt (Geringverdiener 75 Prozent, Durchschnittsverdiener 63 Prozent).

Hinter diesen Zahlen steckt geballte Ungerechtigkeit: Zum einen erhalten alle deutschen Rentner viel zu wenig Geld. Zum anderen erhalten die Geringverdiener später fast gar keine Zuschüsse vom Staat – und darben dann in Altersarmut. Die Lohnarbeiter verbraten ihre Lebenszeit, buckeln sich krumm, füllen die Konten der Konzerne und kurbeln das BIP an – und wenn sie in Rente sind, müssen sie sich ihr Essen bei der Tafel holen. Das ist buchstäblich ein Armutszeugnis. Von Exportüberschüssen und Rekordumsätzen kann eben niemand seinen Kühlschrank füllen.

Zwei simple Prinzipien, die nicht wirklich funktionieren

Der Generationenvertrag fußt auf der Solidarität unter den Menschen und sollte auf zwei simplen Prinzipien beruhen:

Erstens: Die Jüngeren und/oder Gesunden sorgen für die Älteren und/oder Kranken.

Und zweitens: Die Reichen geben zumindest einen Teil ihres Wohlstands an die Armen weiter.

Beide Prinzipien fallen dem Rotstift der neoliberalen Sozialpolitik zum Opfer. Die Bürgerinnen und Bürger sollen privat vorsorgen, die Regierung zieht sich zurück und Deutschland verkümmert zum Nachtwächterstaat.

Man könnte auch sagen: Der Staat verliert zunehmend seine Legitimation, weil er einer seiner zentralen Aufgaben – nämlich der Versorgung der Menschen – nicht mehr nachkommt. Die Armutsrate der deutschen Rentnerhaushalte liegt bei 9,4 Prozent; in den Niederlanden beträgt diese Quote nur zwei Prozent.