Das Bild, auf das es ankommt, gelingt schon am Samstagvormittag, in den Katakomben der Rhein-Mosel-Halle in Koblenz. Die Fotografen halten ihre Kameras bereit und alle anderen ihre Handys hoch, dann läuft die Truppe los, die sich als Führungsmannschaft eines nationalen Europas sieht: Frauke Petry von der AfD, Marine Le Pen vom französischen Front National, der Vorsitzende der niederländischen Partij voor de Vrijheid (PVV, deutsch Partei für die Freiheit) Geert Wilders, Harald Vilimsky von der österreichischen FPÖ, dazu Vertreter aus Italien und Großbritannien. Rein geht es in den Saal zur tiefdröhnenden Musik, hinter den Politikern zwölf junge Patrioten mit großen nationalen Flaggen. Eine EU-Fahne ist nicht dabei. Die Gruppe läuft auf die Bühne, Winken, Applaus im Saal, alle auf einem Bild, die wehenden Flaggen dahinter – fertig ist das gewünschte Bild: Die Führer eines nationalistischen Europas, erstmals vereint.

Auf ihrer Veranstaltung "Freiheit für Europa" in Koblenz beschwören die Vertreter rechtspopulistischer Parteien ein "Jahr der Patrioten" und positionieren sich selbst als dessen Wortführer. Sie greifen die EU als Tyrannei an und als "Unterdrückung der Völker". Die Flüchtlingspolitik Angela Merkels ist für sie eine Katastrophe, und die aktuellen Regierungen in ihren Ländern bekämpfen in ihren Augen "den freien Menschen" (Petry). Organisiert hat das Treffen der deutsche Europaabgeordnete der AfD, Marcus Pretzell. Er gehört, wie auch die anderen teilnehmenden Parteien, zur Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit (ENF) im EU-Parlament. 

Le Pen, die mit ihrer rechtsextremen Partei in Frankreich dieses Jahr Siegchancen bei der Präsidentschaftswahl hat, sagt, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe gegen den Willen der Deutschen Hunderttausende Flüchtlinge ins Land gelassen. Dies sei eine unverantwortliche Politik. Die deutschen Großkonzerne hätten die Migranten aufnehmen wollen, nicht die kleinen Unternehmen und die Bürger.

Wie alle Redner bemüht sich Le Pen, das Treffen in Koblenz in den Kontext einer vermeintlich unaufhaltsamen weltweiten Politikwende zu stellen. Im vergangenen Jahr habe die angelsächsische Welt mit dem Brexit und der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten begonnen, für ihre Freiheit zu kämpfen, sagt Le Pen. 2017 würden die Nationen Kontinentaleuropas folgen. In diesem Jahr stehen Wahlen in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden an. Der Europäischen Union wirft Le Pen vor, antidemokratisch zu sein und den Mitgliedstaaten nationale Eigenheiten zu untersagen. "Der Euro verbindet uns nicht, er kettet uns an."

Ausgesperrt hat der Veranstalter Marcus Pretzell vorher Journalisten der ARD, des Spiegels, des Handelsblatts, des Magazins Compact und von der FAZ. Der Kollege von der FAZ aber "hat offenbar so viel Interesse an uns, dass er sich sogar gerichtlich hat zulassen lassen zu dieser Veranstaltung", wie Pretzell zu Beginn behauptet. Das Publikum buht, ein paar rufen "Lügenpresse, Lügenpresse". Es stimmt zwar, dass die FAZ gegen den Ausschluss gerichtlich vorgegangen ist, allerdings wurde die Klage abgewiesen. Dass er jetzt trotzdem im Saal ist, scheint eher eine Panne der Veranstalter zu sein. Der FAZ-Journalist hat am Eingang nach Vorlage seines Presseausweises doch eine der Presseakkreditierungen ausgehändigt bekommen. Er durfte rein.

"Angst, ihr blondes Haar zu zeigen"

Von 350 angemeldeten Pressevertretern spricht Pretzell. Sie alle sammeln sich auf der Tribüne, oben in der Halle. Unten, dort wo die Teilnehmer sitzen, dürfen sie nicht hin. Ebenso wenig dürfen die Teilnehmer in den Pressebereich. Die Veranstalter wollen eine Kontaktsperre zwischen Teilnehmern und Journalisten. Warum, erklären sie nicht.

Der Niederländer Geert Wilders behauptet in seiner Rede, Politiker der "etablierten Parteien" würden "unsere Islamisierung befördern".  Als Wilders in den Saal ruft, deshalb hätte nun Frauen "Angst, ihr blondes Haar zu zeigen", jubelt das eher männliche und grauhaarige Publikum. Als Wilders dann "Europa braucht Frauke statt Angela", ruft, antworten die Zuhörer mit "Merkel muss weg, Merkel muss weg."

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels war zu lesen, Geert Wilders sei der Vorsitzende der belgischen Partei Vlaams Belang. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.