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Fast ein Drittel aller Menschen bekennen sich heute zum christlichen Kreuz. Mit rund 2,26 Milliarden Anhängern ist das Christentum vor dem Islam (rund 1,57 Milliarden Gläubige) und dem Hinduismus (rund 900 Millionen) die am weitesten verbreitete Religion.
Aber das wird sie nicht bleiben. Demografie-Forscher des renommierten Pew-Instituts in Washington haben sechs Jahre lang Fakten und Faktoren aus 234 Staaten und Regionen gesammelt und auf 245 Seiten zusammengetragen, um das Schicksal der fünf größten Religionen vorhersagen zu können: Christentum, Islam, Buddhismus, Hinduismus und Judentum.
Die Daten lassen die sehr realistische Prognose zu, dass es spätestens im Jahr 2070 mehr Muslime als Christen auf der Erde geben wird. „Demografischer Dschihad“ oder „Geburten-Dschihad“ nennen das diejenigen, die der überdurchschnittlich hohen Fortpflanzungsrate bei den Muslimen politstrategisches Kalkül, das Streben nach Weltherrschaft und eine Aggression der Massen unterstellen.
Dabei gibt es sehr plausible biologische und gesellschaftspolitische Gründe, warum die Christenheit nicht so schnell wachsen wird wie die Umma, die Gemeinschaft aller Muslime. Sie wächst stärker als jede andere Religion, sogar im Verhältnis stärker als die Weltbevölkerung insgesamt.
Das liegt dem Pew-Direktor für Religionsforschung, Alan Cooperman, zufolge zwar vor allem an der höheren Geburtenrate in muslimischen Gesellschaften von derzeit durchschnittlich 3,1 Kindern pro Frau. In Deutschland etwa sind es im Schnitt nur 1,3 Kinder pro Frau – 2,1 Kinder pro Frau wären zum Erhalt der Bevölkerungszahl erforderlich. Aber auch andere Faktoren spielen eine Rolle.
Konversion etwa: Das Forschungsinstitut erwartet deutlich mehr christliche Konvertiten in Richtung Islam und eine vermehrte Abkehr der Christen von ihrem Glauben in den Atheismus. Rund 106 Millionen Christen werden der Projektion zufolge bis zum Jahr 2050 ihren christlichen Glauben aufgeben und nur 40 Millionen durch Konversion hinzukommen – das macht ein Minus von 66 Millionen Gläubigen. Das Gros (61 Millionen) werde bis zur Mitte des Jahrhunderts keiner Religion mehr angehören, prophezeien die Wissenschaftler.
Ein Trend zum Atheismus sei vor allem in jenen Ländern mit niedriger Geburtenrate und hoher Gentrifizierung festzustellen, also etwa in Europa, den USA und Japan. In vielen islamischen Ländern steht der Abfall vom Glauben unter Strafe, teilweise der Todesstrafe, weshalb die Religionsforscher hier nicht mit „Verlusten“, sondern mit einem Zuwachs der Konvertiten von rund drei Millionen Menschen rechnen.
Der Islam werde den demografischen Wettlauf Cooperman zufolge aber auch deshalb gewinnen, weil die Muslime heute mehrheitlich in Regionen leben, die sehr dynamisch sind – Subsahara-Afrika etwa oder Südostasien. Und: Die arabisch-islamischen Gesellschaften sind durchweg viel jünger als die christlichen. Beispiel: Im Iran sind 70 Prozent der rund 75 Millionen Einwohner unter 25 Jahre alt, das Gesamtdurchschnittsalter beträgt 27 Jahre. Zum Vergleich: Das durchschnittliche Alter der Deutschen liegt bei 43,7 Jahren, das der Japaner sogar bei 46,5 Jahren.
„Muslimische Bevölkerungen sind in den Teilen der Welt konzentriert, die am schnellsten wachsen“, sagt Cooperman und meint damit Nigeria, Pakistan, Indonesien und Indien. In Indien werden trotz einer hinduistischen Mehrheitsbevölkerung laut Pew-Prognose im Jahr 2050 mit 310 Millionen mehr Muslime leben als im benachbarten (islamischen) Pakistan (273 Millionen). Indien wird dann das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung sein und Indonesien (dann 256 Millionen Muslime) den Rang abgelaufen haben.
Von den erwarteten 9,3 Milliarden Menschen im Jahr 2050 werden dann 2,8 Milliarden Menschen muslimischen und 2,9 Milliarden christlichen Glaubens sein. Die muslimische Weltbevölkerung wird bis dahin, gemessen an ihrer derzeitigen demografischen Dynamik, um 73 Prozent angewachsen sein, während die Christen – ähnlich wie die Weltbevölkerung insgesamt – um lediglich 35 Prozent angewachsen sein wird.
Das sind beeindruckende Zahlen, die angesichts schwacher Geburtenraten in den christlichen Industrieländern und hoher Geburtenraten in den arabisch-islamischen Ländern plausibel scheinen. Auch die chinesische Einkindpolitik wird sich auswirken. Und die ebenso geburtenschwache wie überalterte japanische Gesellschaft wird – so die Berechnungen der japanischen Demografen – im Jahre 2050 nur noch 90 Millionen Menschen und damit gegenüber heutigem Stand fast 30 Millionen weniger zählen.
Dass diese Entwicklung aber auch für muslimische Familien in ihren jeweiligen europäischen Gastländern oder in den USA prognostiziert werden kann, hat Auswirkungen auf die heute noch christlich geprägten Gesellschaften. Die Anzahl der Länder mit einer christlichen Mehrheit wird von derzeit 159 auf 151 fallen. In den USA werden acht Millionen Menschen muslimischen Glaubens sein und damit das Judentum als zweitstärkste Religion ablösen.
In Deutschland werden im Jahr 2050 nur noch rund 70 Millionen Einwohner leben. Jeder zehnte Bürger wird dann muslimischen Glaubens sein, also sieben Millionen deutsche Muslime. Für ganz Europa wird gelten: Jeder zehnte Bürger ist muslimischen Glaubens. Zum Vergleich: 2010 war es nur jeder 17. Europa ist den Forschern zufolge der einzige Kontinent, dessen Bevölkerung schrumpfen wird – und zwar um 100 Millionen Menschen auf 454 Millionen Bürger im Jahr 2050. Fast ein Viertel der Europäer (23 Prozent) werden dann keine Religionszugehörigkeit mehr haben.
Die Türkei und Russland ausgenommen, wird in Großbritannien im Jahr 2050 die größte muslimische Gemeinschaft mit 7,76 Millionen Gläubigen leben, gefolgt von Frankreich mit 7,54 Millionen und dann Deutschland.
Global gesehen bilden die afrikanischen Länder südlich der Sahara die stärkste islamische Wachstumsregion. Etwa vier von zehn Muslimen weltweit werden Mitte des Jahrhunderts dort leben. Nigeria wird keine christliche Bevölkerungsmehrheit mehr haben, sondern mit etwa 230 Millionen Gläubigen eine muslimische. Wie in Nigeria werden auch in Mazedonien Muslime die religiöse Mehrheit stellen. Nigeria wird aber auch dann noch – nach den USA und Brasilien – zu den drei Ländern mit der größten christlichen Bevölkerung zählen.
Muslimische Bevölkerungen sind in den Teilen der Welt konzentriert, die am schnellsten wachsen
Die Steigerungsraten für Hindus projiziert Pew ähnlich wie jene der Erdbevölkerung auf etwa 34 Prozent auf dann etwa 1,4 Milliarden Menschen. Bleiben die statistischen Eckdaten, die der Studie zugrunde liegen, in etwa stabil, so wird es 2050 rund zwei Millionen mehr Juden geben, von derzeit 14 Millionen auf dann 16,1 Millionen. Die buddhistische Weltbevölkerung wird den Pew-Forschern zufolge etwa gleich bleiben: bei 487 Millionen Menschen.
Die Forscher machen geltend, dass ihre Studie erstmals ein umfassendes Datenvolumen aus Geburten- und Sterberaten, Durchschnittsalter, Migration und religiöser Umorientierung erhoben und daraus ihre Berechnungen abgeleitet haben. Kriege, wissenschaftliche Erfindungen, Seuchen, wirtschaftspolitische Krisen, Naturkatastrophen oder gesellschaftliche Umstürze könnten die prognostizierte Entwicklung der Religionen natürlich beeinflussen. Aber die numerische Dominanz der Muslime über die Christen verschiebt sich dadurch wohl nur. Aufzuhalten ist sie nicht.