An Donald Trump ist natürlich überhaupt nichts gut. Absolut gar nichts. Nada. Niente.

Außer vielleicht eines: Der kometenhafte Aufstieg eines solchen Politik-Clowns der Finsternis sollte uns allen zu denken geben. Wirklich zu denken geben. Nicht in dem Sinne "Na ja, die Amerikaner, die sind halt immer schon politisch etwas sonderbar gewesen" zu denken geben, sondern selbstkritisch. Es gibt da Nachholbedarf.

Was ist bisher passiert? Ein halbseiden-erfolgloser Unternehmer und Reality-TV-Star hat sich an die Spitze einer altehrwürdigen politischen Partei gepöbelt. Eine Auswahl seiner Äußerungen gibt es hier. Getrieben von nichts als geiferndem Ressentiment, bornierter Dummheit, Frauenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit, Intellektuellenfeindlichkeit, ach was – getrieben von Feindschaft gegen alles, was nicht Trump ist. Sein Rüstzeug: der Skandal. Frauen: menstruierende Schlampen, Mexikaner: brutale Vergewaltiger. Europäer: jammernde Verlierer, Chinesen: bösartige Betrüger, Journalisten: Lügner, Lügner!, LÜGNER!!!

Warum er damit durchkommt? Weshalb die Abwehrmechanismen der amerikanischen Öffentlichkeit augenscheinlich nicht mehr funktionieren? Weshalb der Tabubruch keine Entrüstung mehr nach sich zieht, sondern von den Trump-Claqueuren nur noch stärker bejohlt und bejubelt wird? Weil sich das Immunsystem der öffentlichen Hygiene in den vergangenen Jahren an Pappkameraden abgearbeitet hat.

In einer Mediengesellschaft im Overdrive müssen Köpfe von Entscheidungsträgern heute bekanntlich schon rollen, sobald auch nur der kleinste Verstoß gegen etablierte politische Codes registriert wird – jedenfalls sofern die betroffenen Personen den regulären Regeln des Politbetriebs unterstehen. Das aber gilt nicht nur in den USA, sondern – sicherlich leicht abgeschwächt – auch im bundesdeutschen Diskurs. Längst trifft man immer wieder auf eine Hyperinflation der Empörungsrituale, die Entscheidungsträger genau in dem Augenblick zu spüren bekommen, in dem sie dem ansonsten stets eingeforderten Wunsch der Öffentlichkeit nach "Authentizität" einmal tatsächlich nachkommen.

Es handelt sich dabei um eine ausgefeilte Hierarchie der Missbilligung. Relativ weit unten: der Vorwurf der "Argumentation auf Stammtischniveau". Er entspricht einer gelben Karte und wird ebenso oft erhoben. Was dann folgt, ist schon härter: die "furchtbare Entgleisung". Über eine solche echauffierte sich etwa Claudia Roth, als Horst Seehofer es wagte, den ungarischen Regierungschef Orbán zur CSU-Klausur zu laden. Getoppt wird die "furchtbare" regelmäßig von der "ungeheuerlichen Entgleisung". Von einer solchen sprach jüngst der Vorsitzende der CDU-Fraktion in Nordrhein-Westfalen über ein Hannelore-Kraft-Interview, in dem sie ihren Vorgängern "politischen Abschlussbilanzbetrug" vorgeworfen hatte. An der Spitze folgt schließlich: der Vorwurf des "Zynismus und der Menschenverachtung". Beispiele: die innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion über die Berichterstattung zu Griechenland, bzw. Jürgen Trittin zum EU-Deal mit der Türkei, bzw. viele, viele andere, so endlos viele andere politische und gesellschaftliche Akteure, die jede, aber wirklich jede als unpassend wahrgenommene Meinungsäußerung mit diesem Begriffspaar geißeln.

Das Problem dabei: Was bleibt noch im rhetorischen Köcher, wenn fortwährend mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird? Welcher Vorwurf greift dann noch gegen wirkliche, echte, real existierende Demagogen wie Trump? Welcher Begriff verfängt bei einem, der tatsächlich zynisch und menschenverachtend eine ungeheuerliche Entgleisung an die andere reiht?

Könnte es sein, dass das Rauschen des gut gemeinten Empörungssounds letztlich die öffentliche Wachsamkeit nicht schärft, sondern lediglich genau die rhetorischen Klingen abwetzt, die für die wirklich wichtigen Auseinandersetzungen dringend gebraucht werden?

Sicher erklärt das nicht abschließend das Phänomen Trump. Doch wenn überhaupt irgendetwas Konstruktives aus diesem alptraumhaften Vorwahlkampf in den Vereinigten Staaten abzuleiten ist, dann vielleicht die implizite Lehre, auch in scharfer Auseinandersetzung des politischen Alltags nicht jede Mäßigung aus den Augen zu verlieren. Was Trump angeht, jedoch, bleibt es dabei: An ihm ist wirklich gar nichts gut.