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Karriere Mitarbeitersuche

So schlecht werben Konzerne im Internet um Talente

Wirtschaftsredakteur
Bei der Jobsuche sind die Karriere-Webseiten einer Firma oft eine erste und wichtige Anlaufstelle. Doch viele Unternehmen zeigen sich erschreckend schwach – selbst einige Branchenriesen sind darunter.

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Digitalisierung? Soziale Medien? Das ist was für die anderen – so könnte man meinen, wenn man sich die Karriereseiten von vielen deutschen Unternehmen ansieht: Lieblose Gestaltung, wenig Informationen über den Job und die Entwicklungsmöglichkeiten, keine Ansprechpartner. Dabei ist für 94 Prozent aller Hochschulabsolventen die Karriereseite des Unternehmens die wichtigste Informationsquelle, wenn sie sich über Stellenangebote und Aussichten informieren möchten, ergab eine Umfrage von Kienbaum Communications.

Der Besuch der Karrierewebseite eines Unternehmens ist für Bewerber oft nervenaufreibend
Der Besuch der Karrierewebseite eines Unternehmens ist für Bewerber oft nervenaufreibend
Quelle: Getty Images/Cultura RF

Doch viele Firmen vergeben ihre Chancen, Bewerber beim ersten Kontakt erfolgreich anzusprechen. Das ergab eine Studie der auf Onlinekommunikation spezialisierten Beratung NetFed. Die Karriereseiten von 100 namhaften deutschen Unternehmen – darunter auch Dax-Konzerne – wurden unter die Lupe genommen.

Ergebnis: „Keines der untersuchten Unternehmen hat mit seiner Karriereseite, wenn wir vom Schulnotensystem ausgehen, mit der Note eins abgeschnitten“, sagt NetFed-Geschäftsführer Christian Berens. Die Top drei – Otto, Deutsche Telekom und Fresenius – hätten eine Zwei bekommen, was für rundum gute Leistungen spreche. Insgesamt aber sei der „Klassendurchschnitt“ von 4,1 aber ganz klar unbefriedigend. „Was zeigt, dass Unternehmen noch so einige Nachhilfestunden benötigen.“

Fehlkommunikation im Internet

Daimler, die Bahn oder die Post gehören zu den Top Ten, SAP, Porsche oder Miele liegen im Mittelfeld. Firmen wie Hugo Boss, die Deutsche Annington oder Puma liegen auf den hinteren Plätzen. Für Bewerber sei die Karriereseite eines Unternehmens längst die erste Anlaufstelle, wenn es darum gehe, neben Stellenbeschreibungen, die Lust auf den Traumjob machen, auch Informationen über Arbeitsklima, Karrieremöglichkeiten und Work-Life-Balance zu erhalten, erklärt Berens. „Sind diese Infos ungenügend oder nicht transparent genug, bekommt der Bewerber den Eindruck, dieser Job passe nicht zu ihm.“

Dass der Job nicht zum Mitarbeiter kommt und der Mitarbeiter nicht zum Job, liege meistens an der Fehlkommunikation, die von digitalen Karriereportalen großer Unternehmen ausgehe, sagt der Experte. Mit individuellen Ansprachen der Bewerber auf der Startseite, webgerecht aufbereiteten Inhalten und Onlinebewerbungsformularen würden viele Unternehmen zumindest noch die Grundanforderungen an eine zeitgemäße Karriereseite erfüllen.

Aber ein Drittel der Firmen verwendet keine direkte Ansprache auf der Karriereseite und nur die Hälfte nennt einen Ansprechpartner in der Stellenanzeige. Noch ein paar weniger stellen Kontaktmöglichkeiten prominent dar und lediglich 13 Prozent der Unternehmen verweisen auf weitere Inhalte, etwa Infos zum Unternehmen oder Bewerbungstipps.

Aussagen sollten übereinstimmen

„Leider versäumen es die meisten Unternehmen, das volle Potenzial auszuschöpfen“, sagt Berens. So seien etwa Videos von Mitarbeitern, die über ihre Karriere in der Firma und ihre Arbeit erzählen, wie auch eigene Blogs und Social-Media-Kanäle zum Thema Bewerbersuche bis hin zu Arbeitgeberbewertungen beim Bewertungsportal Kununu wichtige Instrumente.

Diesen Eindruck bestätigt der Berliner Personalberater Uwe Richter, der eine eigene Faustregel zur Bewertung einer Firmenkarriereseite hat: Wie viele Klicks braucht man, um auf die Karriereseite zu kommen? „Es sollten keine zehn Klicks sein. Am besten findet man den Link zur Karriereseite gleich auf der Startseite“, sagt Richter.

Der Personalmarketinghype der Recruiting-Apps erreicht die diesjährigen Absolventen nicht. Eine zeitgemäße Karriere-Website ist nach wie vor das A und O für einen erfolgreichen Arbeitgeberauftritt
Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer von Kienbaum Communications

Ein weiteres Qualitätsmerkmal sei es, wenn die Aussagen auf der Karriereseite und den unterschiedlichen Portalen und Plattformen übereinstimmen. Beim Sieger der NetFed-Studie, Otto, kann man recht gut erkennen, was der Personalberater meint: Ein Klick führt auf die Karriereseite, dort finden sich unten rechts die Links zu den Social-Media-Plattformen, auf denen sich der Konzern mit den gleichen Botschaften darstellt. Und der Link zu Kununu findet sich dort auch – zusammen mit der Note, die der Konzern dort von seinen Beschäftigten erhält: 204 Nutzer haben im Schnitt die Note 3,82 vergeben – bei 5,0 möglichen kein schlechtes Ergebnis.

Mitarbeiter als Firmenbotschafter

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In der Kienbaum-Studie zum Absolventenjahrgang 2015 wurden rund 600 Studierende befragt. Demnach steht der Besuch von Karrieremessen als Informationsmöglichkeit nach den Karriereseiten an Nummer zwei. Ebenso beliebt seien Onlinejobbörsen, um nach offenen Stellen zu suchen. Obwohl das gern auch mobil geschieht, spielen Recruiting-Apps dagegen praktisch keine Rolle, weil nur drei Prozent diesen Informationskanal nutzen.

„Der Personalmarketinghype der Recruiting-Apps erreicht die diesjährigen Absolventen praktisch nicht. Hingegen ist eine zeitgemäße Karriere-Website nach wie vor das A und O für einen erfolgreichen Arbeitgeberauftritt“, sagt Erik Bethkenhagen, Geschäftsführer von Kienbaum Communications.

Insgesamt setzten Absolventen auf einen breiten Informationsmix aus verschiedenen Quellen: Befreundete Mitarbeiter des Zielunternehmens sind für 48 Prozent ein bewährter Weg, um sich über Firmen als Arbeitgeber schlau zu machen. Außerdem nutzt jeder fünfte Absolvent Arbeitgeberbewertungsportale, um sich eine Meinung zu bilden.

Ebenfalls jeder Fünfte orientiert sich an Berichten in Zeitungen oder Zeitschriften. 17 Prozent ziehen Broschüren oder Flyer und sieben Prozent Stellenanzeigen in Tageszeitungen zurate, wenn sie nach geeigneten Jobs suchen. „Mitarbeiter zu Botschaftern der Arbeitgebermarke zu machen, wird immer wichtiger. Das schaffen die Unternehmen mit einem gezielten Internal Branding“, sagt Bethkenhagen.

Gleichklang auf allen Kanälen

Ergebnisse in Suchmaschinen wie Google sind für die Suche nach dem Wunscharbeitgeber von großer Bedeutung: 39 Prozent der Absolventen suchen nach Arbeitgebern über Suchmaschinen. Für die Unternehmen sei es unerlässlich, an einem guten Google-Ranking zu arbeiten. Entsprechende Tools zur Suchmaschinenoptimierung böten auch im Personalmarketing viele Potenziale, so Bethkenhagen.

Wenn es um Informationen über ihren potenziellen Arbeitgeber gehe, würden Absolventen sogenannte Business Networks wie Xing und LinkedIn doppelt so stark wie private soziale Netzwerke aufsuchen. „Unternehmen können anhand des Informationsverhaltens von Absolventen HR-Kommunikation für diese Zielgruppe klar priorisieren“, sagt der Kienbaum-Manager.

„Am wichtigsten ist eine repräsentative und informative Karriere-Website. Es folgt ein ausgewogener Mix aus Messeauftritten, Onlineanzeigen, Suchmaschinenergebnissen und persönlichen Informationen, zum Beispiel von eigenen Mitarbeitern.“

Ein gutes Employer Branding sei vor allem ein Gleichklang auf allen Kanälen, so Richter. „Und da gibt es bei vielen Firmen noch ein großes Aufholpotenzial.“

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