Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck ist von der türkischen Polizei vorübergehend festgenommen worden. Er hatte bei einer von den Behörden verbotenen Abschlusskundgebung zur Pride Week in Istanbul teilgenommen. Beck versuchte, die Festnahme eines Aktivisten der Homosexuellenbewegung zu verhindern, der im Stadtzentrum eine Erklärung abgeben wollte. Daraufhin führte die Polizei Beck und andere Aktivisten gewaltsam ab. Die Polizei ließ den deutschen Abgeordneten nach kurzer Zeit wieder frei.

Die Grünen-Europaabgeordnete Terry Reintke sagte, ihr Mitarbeiter Felix Banaszak und der Sprecher der Grünen Jugend NRW, Max Lucks, seien bei dem Zwischenfall festgenommen worden. Sie habe vergebens versucht, die Festnahmen zu verhindern. "Die Polizisten waren sehr aggressiv." Der Verbleib der beiden Deutschen ist nach dem Zwischenfall bisher unklar.

Die Polizei nahm auch zahlreiche türkische Aktivisten fest und setzte auf der zentralen Einkaufsmeile İstiklal Caddesi Tränengas gegen friedliche Unterstützer der Lesben-, Schwulen-, Bisexuellen- und Transgender-(LGBT)-Bewegung ein. Polizisten versuchten, die Berichterstattung internationaler Medien zu verhindern. "Verschwindet von hier", brüllten Sicherheitskräfte. "Wenn Ihr nicht sofort weggeht, lasse ich den Wasserwerfer kommen."

Beck kritisierte, es habe keinerlei Anlass für das harte Vorgehen derSicherheitskräfte gegeben. Die Polizei habe ihm seinen Pass entrissen und ihn körperlich angegangen, sagte Beck. "Es ist ein massiver und willkürlicher Polizeieingriff, den wir hier gesehen haben." Für eine demokratische Türkei müsse die Tür zur EU zwar offen sein. Allerdings bewege sich der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan "jeden Tag zwei, drei Schritte von diesem Ziel weg". Beck sagte mit Blick auf das repressive Vorgehen: "Das ist einfach für eine Kooperation oder eine enge Freundschaft nicht tragfähig."

Massives Polizeiaufgebot in Istanbul

Schon zuvor hatte die türkische Polizei massiv Präsenz in Istanbul gezeigt, um das Verlesen einer Erklärung zum Ende der Pride Week zu verhindern. Auf der Einkaufsmeile İstiklal Caddesi gingen am Nachmittag zahlreiche Wasserwerfer in Stellung. In den Seitenstraßen wurden Sicherheitskräfte mit Gasmasken zusammengezogen. Polizisten in zivil patrouillierten die Umgebung. Schon vergangene Woche hatte die Polizei eine Kundgebung für die Rechte von Transgendern gewaltsam aufgelöst.

Alle Demonstrationen anlässlich der Aktionswoche der LGBT-Bewegung in der Türkei waren zuvor vom Istanbuler Gouverneur verboten worden. Der Beschluss zielte vor allem auf die Abschlussveranstaltung an diesem Sonntag ab. Die Stadtverwaltung Istanbuls teilte mit, für eine Kundgebung oder eine Parade werde es "aus Gründen der Wahrung von Sicherheit und öffentlicher Ordnung" keine Genehmigung geben.

Die Organisatoren hatten den Marsch des Stolzes zum Abschluss der Pride Week daraufhin abgesagt. Sie wollten stattdessen auf der İstiklal Caddesi eine Erklärung verlesen. Neben Volker Beck und Terry Reintke war auch Kölns Bürgermeister Andreas Wolter an den Bosporus gereist. Köln ist die Partnerstadt von Istanbul.

Die Schwulen- und Lesbenparade in der türkischen Millionenmetropole konnte mehr als zehn Jahre bei stetig wachsenden Teilnehmerzahlen unbehelligt stattfinden. 2015 wurde sie mit Verweis auf den für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan zum ersten Mal verboten. Dennoch gingen Tausende auf die Straßen, die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein. Auch dieses Jahr fiel der Termin in den Ramadan.