Venezuelas Präsident Nicolás Maduro hat die Vereinten Nationen um Hilfe bei der Arzneimittelversorgung gebeten. Die UN hätten die notwendige Expertise, um die Versorgung mit Medikamenten und deren Verteilung in dem südamerikanischen Land zu normalisieren, sagte Maduro am Freitag im staatlichen Fernsehen. Er habe daher mit der für Lateinamerika zuständigen Vertreterin des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), Jessica Faieta, gesprochen. Die UN reagierten zunächst nicht öffentlich auf die Bitte.

Seit dem Verfall des Ölpreises auf dem Weltmarkt befindet sich Venezuela in einer wirtschaftlichen Krise. Lebensmittel und Medikamente sind zunehmend knapp geworden. Immer wieder berichten Venezolaner von ihrer Suche nach dringend benötigten Medikamenten, die sie häufig nur zu horrenden Preisen auf dem Schwarzmarkt oder im Ausland bekommen können. In den Krankenhäusern sterben demnach Patienten, weil es nicht genügend Krebsmedikamente gibt, andere verlieren Gliedmaße wegen fehlender Antibiotika. Die Kindersterblichkeit ist mit Abstand die höchste in der Region. Nach Angaben des venezolanischen Ärzteverbands verfügen die Krankenhäuser nur noch über drei Prozent der benötigten Medikamente und Materialien.

Präsident Maduro bezeichnete den Versorgungsengpass als Folge eines "Wirtschaftskriegs" gegen seine Regierung. Dagegen macht die Opposition ihn für die Probleme verantwortlich und fordert seine Absetzung.

Venezuelas Regierung ist stolz darauf, andere arme Staaten mit humanitärer Hilfe zu unterstützen. Trotz der Bitte an die UN schickte das Militär zwei Frachtflugzeuge mit Hilfsmitteln nach Peru, das die schlimmsten Überschwemmungen seit zwei Jahrzehnten erlebt. An Bord sollen auch Medikamente gewesen sein. Kritiker sagen, diese Hilfe solle stattdessen den Venezolanern zukommen. 

Schlangen vor Tankstellen

Obwohl Venezuela das Land mit den größten Ölreserven der Welt ist, wird derzeit auch das Benzin knapp. Die Schlangen vor den Tankstellen in der Hauptstadt Caracas und in weiteren Städten des Landes werden seit Tagen länger; nur noch 90 von 290 Tankstellen in der Hauptstadt hatten in den vergangenen Tagen Benzin. Der Vizepräsident des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA, Ysmel Serrano, begründete den Mangel mit "Verzögerungen bei den Schiffstransporten mit Treibstoff". Venezuela hat zwar gewaltige Ölreserven, aber zu wenige funktionierende Raffinerien, weshalb große Mengen Benzin importiert werden müssen. PDVSA versprach, die Produktion zu erhöhen.

Die Opposition warf der Regierung vor, den Ölkonzern ruiniert zu haben. Oppositionsführer Henrique Capriles kommentierte die Verknappung auf Twitter mit den Worten: "Ohne Nahrung, Medikamente, Wasser, Strom, jetzt auch ohne Benzin, 29.000 Morde 2016."

Venezuela hat die billigsten Spritpreise der Welt; eine Tankfüllung kostet je nach Wechselkurs nur um die 50 Euro-Cent. Weil mehr Benzin verbraucht als in den Raffinerien produziert wird, musste die Regierung bis zu zehn Milliarden Dollar jährlich für Benzin-Importe und Subventionierung ausgeben. Die Hyperinflation im Land erschwert es der Regierung, Benzin, Lebensmittel und Medikamente zu importieren; während ein Dollar auf dem Schwarzmarkt vor einem Jahr noch 1.200 Bolívares kostete, liegt der Kurs heute bei 3.000 Bolívares.

Seit die Opposition sich bei den Wahlen Ende 2015 die Mehrheit im Parlament sicherte, regiert Präsident Maduro vor allem mit Notstandsdekreten am Parlament vorbei. Erst am Freitag ermahnten die USA und 13 weitere amerikanische Staaten Maduro, "die Gewaltenteilung zu garantieren sowie den Rechtsstaat und die demokratischen Institutionen zu respektieren". Alle politischen Gefangenen müssten freigelassen werden. Wegen der Wirtschaftskrise und steigender Gewalt sind Hunderttausende in den vergangenen Jahren aus dem Land geflüchtet. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) mit Sitz in Washington D.C. berief für den kommenden Dienstag eine Sondersitzung zur Lage in Venezuela ein. Der OAS-Vorsitzende Luis Almagro hatte Venezuelas Ausschluss aus der Vereinigung gefordert. Er argumentierte, Maduros Regierung verletze systematisch Menschenrechte und demokratische Standards der OAS-Charta.