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Wie denkt die arabische Community in Großbritannien über das Ergebnis des Brexit-Referendums? Das wollte ich erfahren und bin deshalb nach London gefahren. Ich habe versucht, mit möglichst vielen Menschen zu sprechen, um einen guten Eindruck zu bekommen. Was ich dort gehört habe, hat mich überrascht und geärgert.

Immer und immer wieder sagten mir nämlich britische Bürger mit arabischem Migrationshintergrund, dass es zu viele Migranten und Ausländer in Großbritannien gebe, vor allem aus Osteuropa. Deshalb hätten sie für den Brexit gestimmt. Verwundert fragte ich nach: "Ihr seid doch selber als Ausländer hierher gekommen und habt einen Migrationshintergrund!?" Das sei ganz anders, bekam ich zur Antwort. Schließlich seien sie ja jetzt Briten. Und außerdem würden Araber aus ihren Ländern fliehen, weil dort Krieg herrscht. Osteuropäer aber hätten es doch gut in ihren Heimatländern. Das sei ein großer Unterschied. Menschen, die selber um Hilfe bittend in ein fremdes Land gekommen sind, zeigen einen unterschwelligen bis offenen Rassismus gegenüber Menschen, die das gleiche Schicksal teilen. Migranten werden zu Anti-Migranten!

Es kann ja sein, dass viele von ihnen es nicht einfach hatten und nun fürchten, ihre selbst aufgebaute Sicherheit wieder zu verlieren. Aber an der Haltung stimmt doch was nicht, sie ist unglaublich egoistisch: Mir geht es okay, die anderen sind mir egal. Ich kann das nicht verstehen. Sollten nicht gerade Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben, Empathie und Mitgefühl gegenüber Migranten zeigen?

Rubi, 33, Migrantin aus dem Libanon hat für den Brexit gestimmt. © Deutsche Welle

Ich weiß, glaube ich, relativ viel über arabische Migranten. Weil ich selber Deutscher mit arabischem Migrationshintergrund bin und es mein Job ist, mit ihnen zu reden. Es liegt mir fern, pauschalisieren oder generalisieren zu wollen, als Journalist und ShababTalk-Moderator will ich das nicht. Aber die Erfahrungen in London passen zu dem, was mir immer wieder aufgefallen ist bei meinen Gesprächen mit Migranten im Studio und mit Arabern in ihren Heimatländern. Ich weiß jetzt schon, dass viele – vor allem Migranten – meinen Text kritisieren und auf Facebook posten werden: "Ja, aber, die Europäer sind auch rassistisch." Doch das eine macht das andere nicht besser. Rassismus und Intoleranz sind immer falsch, egal wer so was sagt.

In Flüchtlingsheimen in Berlin habe ich mehrmals gehört: "Wir sind hier im Heim mit Menschen, die aus Afghanistan oder Mali kommen. Mit 'solchen' Menschen möchten wir nix zu tun haben." Ein Syrer meinte: "Was denkst Du, sind wir aus Somalia?"

Ein Ägypter in London erzählte mir, die Osteuropäer würden die ganzen Jobs wegnehmen. Er selber sei auch wegen eines Job nach Großbritannien gekommen und arbeite nun als Fahrer.

Oder als ich in Jordanien war: Viele Palästinenser, die selber als Flüchtlinge in Jordanien gelebt haben, sagen heute: "Also, wir wollen keine syrischen Flüchtlinge mehr in Jordanien."

Oder einige Syrer, die selber vor Jahren nach Deutschland gekommen sind, haben mir gesagt: "Deutschland soll keine Syrer mehr aufnehmen!"

Im Libanon hört man immer wieder: "Was soll das mit den ganzen Syrern?" Die Libanesen scheinen vergessen zu haben, dass sie im eigenen Land Bürgerkrieg hatten und überall hin auf der Welt geflüchtet sind.

Diese Klassifizierung nach Religion, Hautfarbe, Ethnie oder Herkunft ist genau der Grund, warum es in den arabischen Ländern so aussieht, wie es aussieht! Viele Menschen müssen fliehen. Viele Araber beschreiben ihre Identität über ihre Zugehörigkeit zu einer Nation oder Religion. Dabei sind wir doch alle Menschen. In dem Moment, wo ich den anderen nur über seine Nationalität oder Ethnie wahrnehme, negiere ich genau das. Menschenrechte gelten für alle – so ist es in einem Rechtsstaat! Aber dieses Prinzip kennen viele nicht, weil sie es aus ihren Heimatländern nicht kennen. 2012 wurde die EU für ihren Einsatz für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte in Europa mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Dahinter steckt die große Chance, die Welt anders zu sehen: Toleranz, Gemeinsamkeiten und das Miteinander zu betonen.

Gerade Migranten sollten niemals vergessen, wie wichtig es war, dass andere ihnen gegenüber Toleranz zeigten. Ich finde es völlig falsch, andere nicht zu tolerieren, wenn man doch selber noch in der Toleranz-Gebrauch-Phase ist. Oder die eigenen Kinder oder Enkelkinder darauf angewiesen sind oder sein werden. Gerade sie sollten es doch kennen, wie es ist, diskriminiert oder pauschalisiert zu werden. Es enttäuscht mich, wenn diese Menschen jetzt, wo sie sich sicher fühlen, nicht mit anderen Menschen sympathisieren, die – wie sie selbst – die Entscheidung getroffen haben oder treffen mussten, ihr Zuhause zu verlassen, alles hinter sich zu lassen und einen riskanten Neuanfang zu wagen.

Solidarität und Akzeptanz sind das, was wir brauchen, vor allem von Migrant zu Migrant.