ZEIT ONLINE: Herr Ministerpräsident, Sie sind dafür bekannt, dass Sie als Katholik die Freundschaft zu den Protestanten pflegen, auch politisch. Warum ist Ihnen das wichtig?

Reiner Haseloff: Die friedliche Revolution haben wir gemeinsam gemacht. Es wäre doch sehr merkwürdig, wenn wir heute getrennte Wege gingen. Wir sind ja so wenige Christen in Ostdeutschland, die Taufquote wird bald unter zehn Prozent liegen: Da haben wir andere Sorgen, als die Unterschiede zwischen den Kirchen zu pflegen.

ZEIT ONLINE: Welche Sorgen zum Beispiel?

Haseloff: Die eigentliche Herausforderung in einer religionslosen Gesellschaft ist doch: Wie vermitteln Christen ihre Botschaft ins 21. Jahrhundert? Darauf haben unsere Kirchen noch immer keine strategische Antwort.

ZEIT ONLINE: Haben Sie deshalb letztes Jahr den neuen Papst in Rom besucht? Damit er Ihnen ein paar Tricks verrät, wie man das Christentum heute populär macht?

Haseloff: Ich glaube, Franziskus arbeitet nicht mit Tricks. Aber in der Tat: Es war mir sehr wichtig, ihn zu besuchen. Wir wollten ihm Sachsen-Anhalt als Reformationsland präsentieren. Zusammen mit meinem damaligen Kultusminister Stephan Dorgerloh, einem evangelischen Prälaten, haben wir eine richtige Luther-Delegation gebildet, um dem Papst zu zeigen: Bei uns fing vor 500 Jahren alles an!

ZEIT ONLINE: Nicht sehr erfreulich für Rom: Die Abkehr vom Papsttum! Luthers Beschimpfungen gegen den Klerus!

Haseloff: Aber auch eine große Erneuerungsbewegung! Unser Bundesland hat da ein großes Erbe zu pflegen, das reicht über die Aufklärung und das Bauhaus bis hin zur Revolution von 1989.

ZEIT ONLINE: Nun findet in Leipzig der 100. Katholikentag statt. Warum ausgerechnet im protestantischen Kernland? Ist das eine trotzige Selbstbehauptungsparty, nach dem Motto "Uns gibt es hier auch"?

Haseloff: Um Gottes willen, nein! Wir feiern den Katholikentag natürlich nicht gegen die Protestanten, sondern mit ihnen.

ZEIT ONLINE: Die beiden großen Amtskirchen in Deutschland sind nicht ganz so ökumenisch gestimmt wie Sie. Bis jetzt haben sie es peinlich vermieden, den Papst zum Reformationsjubiläum einzuladen. Wie finden Sie das?

Haseloff: Ich kann dazu nur sagen: Wir haben ihn eingeladen! Vor einem Jahr schon. Und ich hoffe sehr, dass Franziskus 2017 kommt. Stephan Dorgerloh und ich haben ihm in Rom erklärt: Wir sind in Mitteldeutschland heute wohl die Region der Welt mit den geringsten religiösen Bindungen. Gerade deshalb halten wir unsere christliche Tradition hoch. Ohne die Kirchen wäre der Mauerfall vielleicht nicht friedlich verlaufen. Erinnern Sie sich noch an den Ausspruch des DDR-Ministerpräsidenten Horst Sindermann? Er sagte über die Friedensdemos: "Wir hatten mit allem gerechnet, nur nicht mit Kerzen."

ZEIT ONLINE: Das alles haben Sie dem Papst erklärt?

Haseloff: Er spricht ja ganz gut Deutsch. Wir konnten ihm vermitteln, dass unsere Kirchen damals ein Friedenszeichen gesetzt haben und dass wir diesen gemeinsamen Weg weitergehen. Da nahm er Dorgerloh und mich an der Hand und sagte: "Das ist der richtige Weg!"

ZEIT ONLINE: Und die Einladung? Hat er sie angenommen?

Haseloff: Seine Antwort lautete: Er möchte 2017 nicht katholisch vereinnahmen, aber er wird ein starkes Zeichen setzen. Das hat er uns versprochen.